Heute, lange nach der Wende, kann man im Internet nachlesen, dass es auch an den Grenzen der ‚Sozialistischen Bruderländer’ Tote gab. Offiziell ist bekannt, dass an den Grenzen Polens, der CSSR, Ungarns und Bulgariens 47 DDR-Bürger erschossen wurden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Das Ostberliner Regime soll sogar Kopfprämien an bulgarische Grenzer für jeden erschossenen DDR-Bürger gezahlt haben. Die Leichen der Fluchtwilligen hat man dann einfach im Grenzstreifen verscharrt.
Mehr darüber kann man nachlesen in dem Bericht von Prof. Dr. Stefan Appelius: Ein Tausender pro Todesschuss
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens untersucht Stefan Appelius Fluchtversuche über die Grenzen der Volksrepublik Bulgarien im Zeitraum zwischen 1960 und 1990. Dabei ist eine bis heute unbekannte Anzahl von DDR-Bürgern getötet worden. Sein Buch mit dem Titel "Tod in Bulgarien - Die vergessenen Opfer des eisernen Vorhangs" soll in nächster Zeit erscheinen. Bei seinen Recherchen in Bulgarien stieß Appelius auf Widerstand. Da ihm offizielle Informationen verweigert wurden, recherchierte er inoffiziell. Auf einem Friedhof am Stadtrand von Sofia fand er mehr als ein halbes Dutzend Gräber von Opfern aus der DDR, die bei Fluchtversuchen in Bulgarien getötet wurden. Offenbar wurden die Waffen in Bulgarien ziemlich großzügig eingesetzt.
In Ungarn gab es, wahrscheinlich wegen der Grenze zu Österreich, wesentlich mehr vereitelte Fluchtversuche. Beim Rückflug Anfang März 1965 konnten wir das an den Zusteigern in Budapest schon erahnen. Dort hat man offenbar nicht gleich geschossen, sondern die Leute in die Gefängnisse gebracht und später an die DDR ausgeliefert. Während des Strafvollzuges habe ich viele kennengelernt, die über Ungarn oder die CSSR raus wollten. Im Gegensatz zu den Ungarn oder Tschechen soll bei den bulgarischen Grenzern die Kalaschnikow damals ziemlich locker gesessen haben. Sicher wahr es auch eine Frage von Bildung und Armut, die manche Grenzsoldaten, angesichts von Sonderurlaub und Prämien, zum Mörder werden ließen.
Unsere damalige Annahme, dass es leichter wäre, die DDR nicht über die dortige ‚Grüne Grenze’, sondern über Bulgarien verlassen zu können, hat sich, auch aufgrund dieser Erkenntnisse, nachträglich als völlig falsch und in höchstem Maße lebens-gefährlich erwiesen. Durch das 15 km breite Sperrgebiet und die Mithilfe der Bevölkerung hatte der bulgarische Staat das Flüchtlingsproblem genauso gut im Griff wie die Grenztruppen und die Stasi in der DDR.
Der Taxifahrer Christo, der uns sozusagen verraten und dem bulgarischen Zoll ausgeliefert hatte, rettete uns damit höchstwahrscheinlich das Leben.
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