Für uns ist heute Abreisetag.
Um 13.00 Uhr sind wir mit dem Autovermieter verabredet und jetzt ist es erst 11.00 Uhr. Wir wollen deshalb lieber Landstraße fahren. Unser 1. Versuch, die Autobahn über eine Ausfahrt zu verlassen, scheitert. Weil ein Schild fehlt, was wir inzwischen schon als normal empfinden, landen wir wieder auf der Autobahn. Diesmal allerdings in der Gegenrichtung. Wir nehmen es gelassen, denn wir haben ja Zeit ohne Ende. Bis Sofia sind es nur noch 80 km.
Wir fahren bis zum Beginn der Autobahn zurück und wenden. Der zweite Versuch von der Autobahn abzufahren gelingt uns bei Botevgrad. Jetzt schaffen wir es, wieder auf die Nr. 3 zu kommen. Aber die Straße ist ganz miserabel, ein Flickenteppich voller Löcher. Vermutlich fungierte die Straße beim Bau der Autobahn als Baustraße und wird nun nicht mehr repariert.
Durch Brücken geht es immer unter der Autobahn hin und her. Auf dieser katastrophalen Straße kracht es mächtig im Gebälk unseres Autos.
Dann sehen wir, dass die parallel verlaufende Autobahn durch einen Tunnel führt. LKWs umfahren diese Stelle und nehmen auch die Landstraße. Wahrscheinlich ist deshalb die Straße in diesem Abschnitt auch besser und etwas Instand gesetzt.
Wieder fahren wir durch kleine Dörfer. Innerhalb eines dieser Dörfer ist die Straße plötzlich ganz neu. Es ist das erste Mal, dass uns das bei unserer Tour auffällt. Bisher waren die Straßen innerhalb von Dörfern immer schlechter als außerhalb. Das liegt wohl an den Zuständigkeiten.
Nach dem Ort ist die Straße wieder im üblichen schlechten Zustand. Etwa 9 km vor dem Sofioter Stadtring ist die Autobahn nebenan zu Ende und alles fährt gemeinsam auf der Nr. 6 durch die Vororte von Sofia.
Inzwischen ist es 12.00 Uhr. Wir fahren nicht allzu schnell, damit wir nicht zu früh am Flughafen sind. Den können wir in der Ferne links schon sehen. Gleich müsste ein Abzweig dorthin kommen. Wir halten aber vergeblich Ausschau nach einem Wegweiser. Als wir den Flughafen links unseren Blicken entschwinden sehen, wenden wir an der nächsten Kreuzung.
Wir fahren die Straße rechts ab. Es ist viel Verkehr, besonders durch LKWs. Wir können nicht glauben, dass diese Straße zum Flughafen führt, denn es geht jetzt zwischen ziemlich alten und teils verfallenen Häusern hindurch. Wir fühlen uns, als ob wir in den Slums von Sofia gelandet wären. Hier können wir nicht richtig sein! Wir müssen zurück.
Vor der Hauptstraße, von der wir gekommen sind, biegen wir diesmal aber halb rechts ab und kommen unter einer Brücke hindurch. Hier geht es offenbar nur in ein Gewerbegebiet hinein. Von einem Schild „Airport“ ist nichts zu sehen. Einen Mann, der mit einem Kleintransporter hier steht, fragen wir nach dem Weg zum Airport. Er versteht erst das Wort „Airport“ nicht. Dann schnallt er, was wir meinen, sagt: „Aerograda, napravo“, und zeigt in die Richtung aus der wir gekommen sind.
Bis jetzt hatten wir noch soviel Zeit, jetzt wird es aber langsam eng und wir etwas nervös. In der Aufregung vergesse ich wieder mal, dass „napravo“ in Bulgarien „geradeaus“ bedeutet und nicht „rechts“ wie im Russischen. Deshalb fahre ich zwar wieder zurück, aber am nächsten Abzweig rechts und dann wieder auf die Hauptstraße, von der wir vor etwa 15 Minuten gekommen sind. An der nächsten Tankstelle frage ich noch einmal, wie wir zum Airport kommen. Dieser Tankwart erklärt uns auf Bulgarisch, dass wir an der nächsten Brücke wenden sollen, dann 1 km zurückfahren und am Schild Airport abfahren sollen. Diese Strecke kennen wir, aber bisher hatten wir noch kein solches Schild gesehen. Diesmal fahren wir auffallend langsam und es scheint wie verhext zu sein. Es gibt weder eine Ausschilderung „Airport“ noch eine für „Aerograda“.
Nun wird mir aber mein Fehler bewusst. Ich bin wieder auf meine nur noch rudimentär vorhandenen Russischkenntnisse reingefallen. Natürlich heißt „napravo“ in Bulgarien „geradeaus“.
Wir wenden wieder an der gleichen Kreuzung, wie bei unserer Ankunft hier und fahren noch mal rechts ab in Richtung des Abrissviertels. Diesmal fahren wir stur geradeaus und siehe da, nach etwa einem weiteren Kilometer sehen wir an einer Querstraße links ein altes, halb vergammeltes Schild „Aerograda“. Dieser Straße folgen wir bis vor das Flughafengelände. Dort folgt wieder eine Kreuzung, aber wieder ohne Wegweiser. Gefühlsmäßig biege ich links ab und nach einer Minute sind wir endlich am Flughafen.
Inzwischen ist es 10 Minuten vor 13.00 Uhr. Jetzt müssen wir nur noch voll tanken. Die Tankstelle liegt ein paar hundert Meter zurück. Um dorthin zu gelangen müssen wir um den Parkplatz herum, vom Flughafengelände herunter und Richtung Stadt fahren.
An einer Lukoil-Tankstelle füllen wir vertragsgemäß unseren Tank bis zum Rand voll. Von hier aus können wir aber nicht direkt zurück zum Flughafen. Es gibt hier keine Wendemöglichkeit. Heute bleibt uns aber auch nichts erspart.
Auch wenn es uns nicht gefällt, wir müssen noch ein paar Kilometer Richtung Stadt fahren bis es eine Linksabbiegespur gibt und wir wenden können. Nun kann uns nichts mehr halten. Im höchstzulässigen Tempo rasen wir zurück zum Flughafen.
An der Stelle, wo wir mit Simeon verabredet sind, ist kein Platz frei. Wir müssen weit nach hinten fahren. Von Simeon ist noch nichts zu sehen. Deshalb gehe ich erst einmal zum Flughafengebäude hinüber und hole einen Gepäckwagen. Als ich danach zur Parkplatzeinfahrt vorgehe, kommt mir Simeon entgegen. Er ist froh, uns endlich gefunden zu haben, denn er sucht uns schon etwa eine Viertelstunde auf dem Parkplatz. Demnach ist er also ganz pünktlich gewesen.
Ich kann ihm sagen, dass mit dem Auto alles gut gelaufen ist und keine Kratzer oder sonstigen Schäden dazugekommen sind.
Simeon sieht sich kurz das Auto an und startet auch mal den Motor. Dann erhalten wir unsere 100 Euro Kaution zurück.
Bei den vielen Autos, die wir in den letzten 15 Jahren in den verschiedensten Ländern gemietet hatten, hat noch niemand bei der Rückgabe etwas geprüft. Aber es gibt immer ein erstes Mal.
Wenn wir das nächste Mal in Sofia ein Auto brauchen, so erklärt uns Simeon, können wir direkt über Internet bei ihm buchen und müssen dann keine Vermittlungsgebühr bei Economy Car Rentals bezahlen. Obendrein gibt es dann noch 3% Rabatt.
Wir verabschieden uns von Simeon, fahren mit unserem Gepäck hinüber zum Flughafen und checken ein.
Nun können wir in den Wartebereich gehen und uns ein ruhiges Plätzchen suchen. Bei den Gedanken, Bulgarien und Sofia in wenigen Minuten zu verlassen, erinnere ich mich wieder an das Geschehen von vor 41 Jahren.
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Ab und zu besorgte mir der ‚Chef’ auch eine DDR-Zeitung. In dieser Zeit passierte es das erste und einzige Mal in meinem Leben, dass ich mehrere Exemplare des „Neuen Deutschland“ Wort für Wort gelesen hatte - was tut man nicht alles aus Langeweile.
Langeweile allein war aber nicht das Problem. Die Ungewissheit darüber was mir bevorstand, machte mir viel mehr zu schaffen. Solange ich hier in Sofia festsaß, die Stunden ...
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Abflug aus Sofia
Gegen 15.40 Uhr starten wir mit 20 Minuten Verspätung. Auf dem Gangplatz neben Angelika nimmt ein älterer Mann in Pilotenuniform Platz. Er hat ein Band mit einem Schild der Heli Air um den Hals, ist also Grieche. Er riecht so stark nach Knoblauch, dass selbst ich davon was abbekomme. Na dann, - guten Flug.
Die genaue Flugroute kennen wir nicht, denn die Durchsagen sind für uns sowohl von der Sprache, als auch von der Tonqualität unverständlich. Gegen 16.00 Uhr meine ich, aus dem Fenster links unter uns das Donauknie bei Estergom zu erkennen. Hier sind wir in den 70ern schon zweimal mit dem Auto vorbei gekommen. Wir müssen also vor wenigen Minuten über Budapest hinweg geflogen sein.
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Mittlerweile war es Anfang März und wir machten das erste Mal Bekanntschaft mit der Stasi der DDR. Zwei Männer in Zivil erwarteten mich am nächsten Morgen in einem Büro des Vernehmungstraktes.
„Wir sind vom Ministerium für Staatssicherheit der Deutsche Demokratischen Republik“, stellten sie sich vor. „Wir werden Sie morgen in die DDR zurückführen.“
Ich wollte noch wissen, wie ...
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Vor der Landung in Prag wackelt der Flieger leicht, sonst läuft aber alles ordentlich ab. Da wir in Prag etwa 4 Stunden Zeit haben, gehen wir fast als Letzte von Bord.
Als wir aus dem Tunnel raus kommen, sehen wir eine Dame in der Uniform der Czech Airlines stehen mit einem Schild in der Hand auf dem geschrieben steht „Mr. Lehmann“. Wir gehen ungläubig auf sie zu, in banger Erwartung was sie von uns will.
Sie fragt: „Are You Mr. Lehmann?“
„Yes“, antworte ich, noch gar nicht davon überzeugt, dass ich gemeint bin, denn der Name Lehmann ist nicht gerade einer der seltensten. Sie meint aber, wenn ich Mr. Lehmann bin, dann sollen wir mitkommen zum Transitschalter. Näheres können wir ihr nicht entlocken, sie weiß offenbar selbst nicht worum es geht. Sie geht schnellen Schrittes vor uns her und wir folgen ihr so schnell es geht. Scheinbar duldet die Angelegenheit keinerlei Aufschub.
Am Schalter erklärt uns eine andere Dame, dass unsere Maschine nach Köln Bonn ausgebucht ist und wir nicht mitfliegen können. Als Ausgleich bietet sie uns an, dass wir 17.20 Uhr mit einer anderen Maschine nach München und von dort aus weiter nach Köln Bonn fliegen können. Wir wären dann etwa zwei Stunden früher zu Hause und würden 125,00 Euro zurückerhalten. Wie schön. Bei diesem Angebot sagen wir spontan zu.
Es ist 16.45 Uhr. Bis zum Start der Maschine haben wir noch eine reichliche halbe Stunde Zeit. Das sollte eigentlich reichen, wenn alles glatt geht.
Jetzt geht alles ganz schnell und die Damen von der Czech Airlines rotieren. Sie ändern unsere Tickets und stellen neue Gepäckscheine aus. Es geht ziemlich stressig zu am Schalter.
Eine der Damen legt mir dann eine Quittung für die teilweise Flugpreis-Rückzahlung zur Unterschrift vor und drückt mir das Geld gleich bar in die Hand. Ich stecke es ohne Nachzuzählen in die Gesäßtasche meiner Jeans und dann laufen wir los.
Die Gerechtigkeit siegt doch noch, wenn auch manchmal auf Umwegen. Die 125 Euro sind etwa der Betrag, den wir bei dem voreiligen Umtausch nach der Ankunft in Sofia in den Sand gesetzt haben.
Wir müssen zum Gate C 12. Abwechselnd laufend und rennend überwinden wir durch den endlos langen Flughafen von Prag eine Strecke von mindestens 800 Metern.
Es geht um Minuten. Wird die Maschine überhaupt so lange warten? Wir können nur hoffen, dass die Rennerei nicht umsonst sein wird.
Zu allem Überfluss müssen wir auch noch durch die Sicherheitskontrolle. Dort staut sich ein Pulk Passagiere. Wir reihen uns erst ein und warten einige Minuten. Da uns aber die Zeit wegzulaufen droht, fragen wir einige Leute vor uns, ob wir vorgehen dürfen, weil unsere Maschine gleich geht. Bis ganz nach vorn kommen wir nicht, denn einige andere sind genauso in Eile wie wir.
Endlich sind wir am Abgang zu Gate 12.
Die Maschine ist nicht ganz voll besetzt. Ungefragt gibt es ein Stück Kuchen. Getränke kann man sich wünschen.
Um 18.30 Uhr landen wir in München.
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Nachdem wir am 3. März 1965 in Berlin-Schönefeld gelandet waren, war die Gemütlichkeit vorbei. Wir Häftlinge mussten gleich als erste aussteigen.
Schon oben an der Gangway hörten wir das Geschrei eines langen Stasi-Kerls in Zivil, dem unser bedächtiges Aussteigen ...
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In fünf Minuten beginnt das Boarding für Flug LH 1280 nach Köln Bonn. Wir warten aufs Aussteigen. Diesmal stehen wir gleich auf, stehen aber noch mindestens fünf Minuten im Gang bis endlich die Tür aufgeht, die Treppe angebracht ist und das Aussteigen beginnt. Die Busfahrt und die Wartezeit bis wir daraus wieder aussteigen können, weil der Eingang zum Flughafengebäude noch nicht freigegeben ist, erscheinen uns endlos.
Dann endlich geht es rein zur Passkontrolle und weiter zu Gate G 31. Dort werden wieder Tickets und Pässe geprüft. Der nächste Bus steht auch schon bereit. Nach ein paar Minuten geht es in den letzten Flieger hinein. Kaum sitzen wir, rollt der A 320-200 schon an zum Start. Es ist 19.08 Uhr.
Bei diesem kurzen Flug gibt es nur Getränke. Dafür bietet die Lufthansa etwas mehr Beinfreiheit als die Czech Airlines. Auch die Ausstattung macht einen ziemlich neuen Eindruck. Das alles für einen Minderpreis von 125 Euro!
Es ist 19.50 Uhr als die Anschnallzeichen leuchten. Nach 55 Minuten Flug landen wir um 20.03 Uhr in Köln-Bonn.
Reisen ist eine der schönsten Beschäftigungen, die wir uns vorstellen können, aber zu Hause ist zu Hause.
Nun brauchen wir nur noch unser Gepäck. An den Gepäckbändern ist reger Betrieb. Mehrere Flüge sind fast gleichzeitig eingetroffen. Es dauert eine ganze Weile bis die ersten Gepäckstücke kommen. Nach und nach leert sich die Halle, aber wir warten immer noch. Jetzt bewahrheitet sich, was wir befürchtet haben. Unser Gepäck ist auf dem Irrflug mit Sicherheit woanders gelandet.
Ein paar Minuten starren wir noch auf das sich leer bewegende Gepäckband und sind froh, dass uns das nicht beim Hinflug passiert ist. Jetzt stört es uns eigentlich nicht so sehr. Hauptsache die Sachen kommen irgendwann an.
Ein Flughafenangestellter in der Gepäckhalle schickt uns zur Lufthansa-Gepäckermittlung. Die ist gleich um die Ecke.
Wir nehmen alles mit Humor. Die Dame der Lufthansa nimmt unsere Daten auf und die Gepäckscheine entgegen. Wir erhalten eine Bestätigung und eine Internetadresse, auf der wir den Status der Gepäcksuche sehen können. Man wird uns anrufen, sobald unser Gepäck gefunden ist und es uns nach Hause bringen.
So ein „Gepäckverlust“ hat also auch Vorteile, wir brauchen nun nicht die drei schweren Taschen in den kleinen Punto wuchten.
Zu Hause fallen mir dann die 125 Euro wieder ein, die noch in meiner Gesäßtasche sein mussten. Ich ziehe sie heraus und legte sie einfach ohne nachzuzählen auf den Küchentisch. Das holt dann Angelika nach, als sie die Scheine sicherstellen will und siehe, da es sind nicht 125 Euro für uns beide, sondern pro Person. Mir war bei der hektischen Abfertigung in Prag überhaupt nicht aufgefallen, dass die Dame von der Czech-Airlines mir 250 Euro in die Hand gedrückt hatte. Damit sind wir für den Rückreisestress angemessen entschädigt worden.
Am nächsten Tag kann ich dann nachmittags unter der uns genannten Internetadresse sehen, dass unser Gepäck gefunden ist. Gegen 20.00 Uhr kommt dann der avisierte Anruf und eine Stunde später legt uns ein Mann die Taschen vor die Tür.
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