Weinfelder vor Melnik
Jetzt freuen wir uns aber auf Melnik, denn dort fahren wir heute hin. Wir nehmen für die Anfahrt noch einmal die löchrige Nebenstraße, um ein paar Videoaufnahmen und Fotos zu machen. Dieses Verkehrsabenteuer muss einfach festgehalten werden.
In Melnik werden wir schon von Janko, dem Kellner des Hotels Mario erwartet. Er zeigt uns zwei Zimmer, zwischen denen wir wählen können. Wir nehmen das in der oberen Etage mit Balkon. Es kostet nur 30 Lewa pro Nacht.
Melnik
Nachdem wir mit unseren Sachen eingezogen sind, gehen wir hinunter in die Gaststätte und bestellen Tomatensalat für Angelika und für mich den beliebten Schopska-Salat mit Toast. Der schmeckt mir am Besten, schon wegen dem Schafskäse darauf.
Dann suchen wir im Ort nach dem Fußweg zum Kloster Roshen, wo wir morgen hinwandern wollen. Wir finden einen Weg hinter der Stadt, der von der Richtung her stimmen könnte. Ein Hinweisschild haben wir aber nicht gesehen.
Also entschließen wir uns heute erst einmal auf der Straße zum Kloster zu fahren. Diese Straße hatten wir gestern bei unserem Kurzausflug nach Melnik schon kennen gelernt. Heute kehren wir aber nicht wieder um.
Es geht durch die herrliche Landschaft der Pyramiden von Melnik. Nach jeder Kurve sieht man die Sandsteinspitzen mit den weißen Wänden aus einer anderen Perspektive.
Hinter dem Dorf Roshen etwas unterhalb des Klosters steht eine Kirche. Davor liegt das Grab von Jane Sandanski, dem Freiheitskämpfer und Nationalhelden, der Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die Osmanen kämpfte.
Jane Sandanski Denkmal in Melnik
Im Kloster Roshen darf man nicht filmen oder fotografieren, jedenfalls gibt es Schilder mit den entsprechenden Symbolen. Die Bulgaren scheren sich aber nicht darum. Sie fotografieren die Gebäude und sich sowie ihre Familien innerhalb der Klostermauern. Vor der Kirchentür hört der Spaß aber auf. Dort bekreuzigen sie sich.
In der Kirche führt ein großer Mönch die Aufsicht. Er sieht etwas unheimlich aus in seiner schwarzen Kutte, den langen schwarzen Haaren und dem langen, zottelig krausen Bart.
Hotel Mario in Melnk
Mittwoch, 30. August 2006.
Um 10.00 Uhr schultern wir unseren Rucksack und gehen los zum Kloster Roshen. Da Janko Gäste bedienen muss, geht der Chef mit und zeigt uns den Weg hinter der Stadt. Es ist der Gleiche, den wir gestern schon gefunden hatten.
Die Beschilderung des Weges lässt stark zu wünschen übrig. Ein Stück hinter dem Ort sehen wir an einem Baum ein grün-weißes Wegzeichen. Es zeigt aber nicht eindeutig, ob man hier links oder rechts gehen muss. Wir versuchen es erst links, geben aber auf, als der Pfad unwegsam wird und in ein trockenes Bachbett übergeht.
Rechts sieht es dann besser aus. Aber nach ein paar hundert Metern scheinen wir wieder falsch zu sein, denn der Weg endet vor einer alten Mauer, die wir rechts umgehen. Oberhalb der Mauer verläuft wieder ein trockenes Bachbett. Wir halten uns rechts davon und folgen den grün-weißen Wegzeichen, die jetzt öfter auftauchen. Es sind keine Schilder wie das Erste, sondern nur mit Farbe an die Bäume gemalt und manchmal schon etwas verwaschen.
Brüchige Wände der Melniker Pyramiden
Nach einigen weiteren hundert Metern geht es links in einer vom Regen ausgewaschenen Rinne ziemlich steil nach oben. Wegzeichen sind hier nicht zu sehen, aber kleine Steinhäufchen. Wir deuten sie in gleicher Weise und folgen dem Weg, der immer schmaler wird. Als wir durchgeschwitzt oben auf einem Bergkamm ankommen, finden wir an einem großen Stein wieder ein Wegzeichen. Wir sind also richtig. Nach rechts geht es auf dem Kammweg zu einem einzelnen Baum.
Von hier aus hat man eine schöne Rundumsicht über das Sandsteingebirge mit den „Pyramiden“, aber man steht vor einem tiefen Abgrund. Wie lange wird der einzelne Baum hier wohl noch stehen? Sicher nur solange bis der Regen die Kante soweit abgetragen hat, dass er unweigerlich abrutschen muss. Den Stein im Vordergrund wird es schon viel früher erwischen.
Aussichtspunkt mit Baum
Nach links geht es leicht bergab am Hang eines Berges mit Sendemast entlang. Der Pfad wir immer schmaler und wir müssen mehrere ausgewaschene Rinnen queren. Hier ist der Weg so schmal, dass wir kaum noch Platz für die Füße finden und uns an den aus dem Sand herausragenden Steinen festhalten müssen. Dabei ist Vorsicht geboten, denn die Steine sitzen nicht sehr fest.
Abgerutschter Pfad am Hang
Dann haben wir den Berg ein Stück umrundet, der Weg wird wieder etwas breiter und das Kloster kommt in Sicht. Bevor wir über eine große Wiese hinunter gehen, kommen wir an einen kleinen Rastplatz. Hier steht ein Wegweiser „Melnik“, der in die Richtung zeigt, aus der wir gekommen sind. Es war also der richtige Weg. Aber zurück werden wir den nicht wieder gehen, das ist uns an den brüchigen Sandsteinhängen zu riskant. Es gibt ja noch den breiten Weg, der hinter dem Kloster vorbeiführt und auch nach Melnik führen müsste.
In dem stillen Klosterhof mit seinen Holzgalerien, Pfirsichbäumchen und Weinreben setzen wir uns auf die Bank neben einem Trog, in den Quellwasser hineinplätschert, und legen nach dem anstrengenden Aufstieg eine wohlverdiente Rast ein.
Fast überall in den Gebirgsgegenden Bulgariens kann man frisches Quellwasser trinken. Unsere leeren Flaschen füllen wir hier auch wieder auf.
Speisesaal der Mönche im Roshenski Monastir
Im ehemaligen Speisesaal der Mönche wagen wir mal ein Foto, denn es ist niemand zu sehen, der uns überraschen könnte. Es sollen ja nur noch drei Mönche hier leben.
Wir gehen um die Wiese herum auf den Weg, der hinter dem Kloster vorbeiführt. Hier machen wir Aufnahmen vom Kloster und den Sandsteinfelsen ringsum.
Sandsteinpyramide bei Melnik
Der Weg ist breit und man sieht eine Fahrspur. Waldeidechsen, die wir beim Gehen aufscheuchen, huschen häufig über den Weg und in den Büschen flattern viele Vögel umher. Hier ist Natur pur und außer uns kein Mensch unterwegs. So können wir auch niemanden fragen, ob der Weg auch wirklich nach Melnik führt.
Offensichtlich ist das nicht der Fall, denn die Richtung geht statt nach rechts immer wieder leicht nach links, also eher weg von Melnik. Wir sehen auch keine Möglichkeit zwischen den Bergen hindurchzukommen, denn es ist kein Pfad zu sehen. Zurück wollen wir aber auch nicht gehen, dazu sind wir schon zu weit vom Kloster weg. Außerdem hätten wir dann auch nur die Wahl zwischen dem bisherigen Weg durch die Sandsteinberge oder der Straße. Also gehen wir weiter. Irgendwo muss der Weg ja hinführen. Entweder zu einem anderen Dorf oder zu einer Straße auf der wir jemanden finden, der uns weiter hilft.
In der Senke einer großen Fläche mit Heidekraut und Büschen sehen wir aus der Ferne eine Ziegenherde weiden. Wo Ziegen sind, sollten auch Menschen sein. Deshalb steuern wir auf die Herde zu. Als wir näher kommen, sehen wir auch einen Mann im Gras sitzen.
Noch zwei andere Männer liegen im Gras. Sie lassen sich aber nicht gleich stören. Wir gehen auf den Mann zu, der offensichtlich hier das Sagen hat und fragen ihn auf Englisch, ob der Weg hier nach Melnik führt.
„No Melnik“, antwortet er und zeigt dann in die Richtung aus der wir gerade gekommen sind.
Unsere „Retter“, die Ziegenhirten
Der Mann fragt: „Deutschland?“ „Da“, antworte ich auf Bulgarisch.
Viel mehr kann ich aber nicht und er versteht weder Englisch noch Deutsch. Dann zeigt er auf den kleineren der beiden Männer, die noch im Gras liegen.
Er ruft den „Kleinen“ und deutet ihm an, dass er aufstehen soll. Etwas langsam und widerwillig erhebt der sich.
Dann scheint der „Boss“ ihm etwas zu erklären, denn er redet auf ihn ein.
Als der mit dem Kopf schüttelt, schaut der „Boss“ zu mir, zeigt gleichzeitig auf den „Kleinen“ und sagt zu mir: „Sherpa.“
Wir lachen alle. Das ist natürlich die beste Lösung für uns. Ein Sherpa für den Weg nach Melnik. Zwei bis drei Kilometer sollen es von hier bis dorthin sein.
Wir bedanken uns, verabschieden uns vom „Boss“ und gehen hinter unserem „Sherpa“ her.
Unser „Sherpa“ führt uns zurück nach Melnik
Nach einer längeren Wanderung bergauf und bergab in der Hitze des Tages führt der Pfad leicht abfallend durch den Wald an einem Hang entlang.
Endlich sind wir in Melnik.
Als wir über die Brücke sind, biegt unser "Sherpa" ab in die erste Taverne. Wir gehen weiter zu unserem Hotel. Unsere kleine Odyssee in die Wildnis Bulgariens ist damit zu Ende.
Blick von der Veranda des Hotels Mario
Auf dem Festplatz, gegenüber dem 700 Jahre alten Ahorn, beginnt gegen Abend das Stadtfest mit Musik und Tanz. Die Musik klingt schwermütig. Den Anfang macht ein gemischtes Gesangsduo. Der Mann hat einen ziemlich dicken Bauch. Dann folgt ein Frauenchor, der in mehreren Liedern die Schönheit Melniks und der Landschaft besingt.
Später wird nach traditioneller Musik immer rund um den Platz getanzt, ähnlich wie der Sirtaki in Griechenland. An der Spitze tanzt ein Mann mit einem weißen Tuch in der Hand, dahinter sind nur Frauen, Mädchen und ein paar kleine Kinder. Die übrigen Männer begnügen sich damit zuzuschauen und lieber etwas zu trinken.
Donnerstag, 31. August 2006
Heute ist es uns zu kalt, um auf der Veranda zu frühstücken. Die Sonne scheint dort erst gegen Mittag hin. Um 8.45 Uhr setzen wir uns in die Gaststätte. Es sind nur ein paar Männer da, die hier frühstücken. Zu unserem Leidwesen rauchen die aber kräftig. Wir haben aber nur die Wahl zwischen frieren und mitrauchen. Was davon gesünder ist wollen wir aber nicht austesten.
Nach dem Frühstück treffen wir uns mit Janko um 10.15 Uhr vor dem Lokal, denn wir wollen heute zusammen auf den Felsen mit der Kirche. Mit uns gehen noch drei Bulgaren, die auch im Hotel Mario wohnen. Einer der beiden jungen Männer spricht perfekt deutsch, er lebt seit 17 Jahren in München. Der Andere und seine Freundin sprechen nur Bulgarisch.
Ein Stück hinter der alten Brücke, bei dem 700 Jahre alten Ahorn, geht es zwischen den Häusern und einer Kirche rechts einen Fußweg hinauf. Janko geht voraus. Zuerst ist der Weg noch grob gepflastert, dann wird daraus ein schmaler Pfad, der sich durch Wald und Busch nach oben windet. Nach etwa 20 Minuten sind wir oben.
Ungefähr 100 m weiter links steht eine kleine Kirche. Hier trifft man auf jede Menge Pilger, von denen viele auch mit Bussen nach Melnik angereist sind.
Alte Festung aus dem 9. Jahrhundert
Janko will eine Kerze anzünden und drängt sich auch in die Kirche. Auch die drei anderen gehen mal kurz hinein.
Auf dem weiteren Weg den Bergkamm entlang kommen wir an vielen Mandelbäumen vorbei. Die Mandeln sind aber noch nicht richtig reif. Einige der Kirchgänger pflücken sie trotzdem oder schlagen sie mit trockenen Ästen herunter.
Am Ende fällt der Berg steil ab. Von hier aus kann man Melnik von oben betrachten. Auch den Weg zum Kloster Roshen kann man erkennen, den einsamen Baum vor dem Abgrund, an dem wir gestern waren und den Berg vor dem Kloster mit dem Sendemast darauf.
Auf der anderen Seite des Berges blickt man in einen Talkessel. Man spürt hier nur absolutes Schweigen, höchstens ein paar Vogelstimmen durchbrechen die Stille. Dort unten soll mal die alte Stadt Melnik gestanden haben. Heute sieht man nichts mehr davon, jedenfalls nicht von hier oben.
Ein Schild an der Weggabelung weist den Weg zur Ruine eines Klosters, das auch mal hier auf dem Berg stand. Es sind aber nur noch Reste der Grundmauern zu sehen. Von hier aus hat man auch eine herrliche Sicht auf die Pyramiden von Melnik mit ihren hellen Sandsteinspitzen. Faszinierend ist immer wieder eine der Pyramiden mit einer kleinen Spitze darauf. Regen und Wind werden schon bald dafür sorgen, dass nichts mehr davon übrig bleibt.
Tal des früheren Melnik
Dann gehen auch wir wieder nach unten. Auf einer Bank unter dem 700 Jahre alten Ahorn ruhen wir uns im Schatten etwas aus und gehen dann noch mal zu den oberen Häusern von Melnik. Dort steht auch das Kordopulov-Haus, eines von mehreren restaurierten Kaufmannshäusern. Jane Sandanski hatte sich in diesem Haus vor seinen Häschern versteckt.
Das heutige Melnik
Danach fahren wir mit dem Auto bis zur Straße Nr. 1, durch Sandanski hindurch und etwa 18 km bergauf ins Pirin-Gebirge hinein. Die Straße ist ganz miserabel und fordert unserem Fiesta wieder alles ab. Oben sehen wir ein Schild auf Deutsch „Friedenspfad“. Führt der etwa hier durch? Hier oben soll Jane Sandanski erschossen worden sein. Wer die Täter waren, weiß man nicht genau. Man hat ihn einfach erschossen aufgefunden, geht aber davon aus, dass es die Türken waren, die zu dieser Zeit noch in Bulgarien herrschten.
Den Wasserfall, von dem Janko gesprochen hat, finden wir nicht, auch kein Hinweisschild. Es gibt hier meist nur private Ferienhäuser und keine Hinweise auf ein Hotel oder andere Unterkünfte, die für uns in Frage kämen. Die Landschaft ist zwar herrlich, aber irgendwie ist es uns zu einsam hier.
In Melnik gehen wir gleich wieder hinunter in die Gaststätte zum Essen. Es ist kühl auf der Veranda. Janko bringt uns eine Rechnung über 18,10 Lewa und meint 18 Lewa reichen. Wir geben aber trotzdem 20 Lewa. Über reichlich 10% Trinkgeld freut sich hier jeder Kellner, denn die meisten Bulgaren geben, soweit wir es beobachten konnten, kein Trinkgeld.
Nach dem Essen machen wir noch mal einen letzten Rundgang durch den Ort. In den anderen Gaststätten sind kaum Gäste. Die Saison ist eben vorbei. Wir bestaunen noch einmal die alten Ahornbäume - es gibt in Melnik drei davon mit Stammdurchmessern bis zwei-einhalb Meter und Kronendurchmessern bis 40 Meter.
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