Die Straße durch die Rhodopen verläuft parallel zur griechischen Grenze. An den Abzweigen nach Süden stehen deshalb überall Schilder mit den Aufschriften „Granitschna Sona“ und „Border Area“. Manche sehen so aus, als ob sie noch aus der alten Zeit stammen.
In Bulgarien gab es früher ein 20 km breites Sperrgebiet, für das man eine Sondergenehmigung brauchte. Deshalb wollte uns damals der Taxifahrer, der uns von Simitli bis nach Sandanski fuhr, nicht weiter bis nach Kulata fahren.
Heute ist diese Grenzzone kein Sperrgebiet mehr, denn sonst könnten wir hier nicht so einfach entlang fahren.
Die Straße durch die Rhodopen ist in hervorragendem Zustand, natürlich dank der EU-Gelder. Und die Landschaft ist jeden Cent wert, der für den Ausbau der Straße ausgegeben wurde.
Man fährt Richtung Osten und blickt nach Süden in ein weites Tal. Die Berge dahinter liegen schon in Griechenland. Unten im Tal liegen viele kleine Dörfer. Die Landschaft neben der Straße erinnert hier manchmal an Thüringen. Es gibt eine gute Beschilderung, Wasserstellen an Rastplätzen, Kilometersteine und Leitplanken.
Es wird nun langsam Zeit, dass wir ein Hotel finden. Schon vor Dospat hatten wir links auf einer Anhöhe das Hotel Zenith gesehen, sind aber weiter gefahren, weil wir auf noch mehr Hotels hoffen. In Dospat haben wir wegen des dichten Verkehrs und der schlechten Straßen nicht weiter nach Hotels gesucht.
Hotel Orphei bei Teschl
Ein paar Kilometer weiter sehen wir dann kurz vor dem Dorf Teschl am Abzweig Richtung Trigrad ein Hinweisschild „Devils Throat“ und gleich nach einer Kurve das Hotel „Orphei“. Das sieht gut aus, deshalb fahren wir dort auf den Hof. Der Kellner, der uns in Empfang nimmt, spricht kein Englisch. Das Zimmer kostet 30 Lewa ohne Frühstück und ist akzeptabel.
Bevor wir uns im Restaurant zum Essen niederlassen, machen wir noch einen Spaziergang in Richtung Trigrad. Nur wenige Meter vom Abzweig entfernt steht ein verwaistes Wachhäuschen der Grenzpolizei. Es scheint schon seit vielen Jahrzehnten hier zu stehen, denn es neigt sich schon leicht nach hinten. Über dem alten verwitterten Schild in kyrillischen Buchstaben hängt ein neues in frischem Grün „Border Police“. Da die Polizisten sicher schon Feierabend haben, können wir unbehelligt vorbei gehen.
Im Restaurant des Hotels sind wir anfangs die einzigen Gäste. Wir bestellen Tee, Kamenitza (bulg. Bier), gemischten Salat und eine Rhodopen-Spezialität - Kartoffelpuffer mit Sauerkraut. Während wir essen, kommen noch andere Gäste und so wie das hier üblich ist, fangen die meisten gleich an zu rauchen.
Heute ist schon Sonnabend, der 2. September
Um 8.30 Uhr frühstücken wir im Restaurant. Da das Frühstück nicht im Zimmerpreis enthalten ist, müssen wir es uns selbst zusammenstellen. Eine Stunde später haben wir unsere Sachen ins Auto gepackt und fahren los in Richtung Trigrat zum „Devils Throat“.
Die Border Police scheint schon auf uns zu warten. Neben dem Häuschen, dessen Tür offen steht, sehen wir ein Polizeiauto stehen.
„Your document, please“, höre ich den Polizisten sagen, nachdem ich die Scheibe heruntergelassen habe. Obwohl wir ein Auto mit bulgarischem Nummernschild fahren, muss er uns sofort als Ausländer erkannt haben und spricht uns auf Englisch an.
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Den Ausdruck ‚Dokument’ kennt ein gelernter DDR-Bürger nur zu gut. Dort hatte man nicht einfach nur einen Pass oder Personalausweis sondern ein Personal-Dokument.
Das bekamen wir auch zu spüren, ...
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Heute, 17 Jahre später, stehen wir mit dem Auto auf einer Straße, die in Richtung griechische Grenze führt und wieder will ein Grenzpolizist ein ‚Dokument’ von uns haben.
Aber wir sind hier nicht mehr an einer DDR-Grenze, sondern in einem freien Bulgarien, das den steinigen Weg nach ‚Europa’ eingeschlagen hat.
Der Grenzpolizist geht mit unseren Pässen zu seinem Kollegen, der im Auto sitzt. Nach einer Minute ist er schon wieder da und gibt uns die Pässe mit einem: „OK“, wieder zurück. So einfach kann es sein, wenn man nun nach über 41 Jahren endlich mit dem richtigen Pass kommt.
Die Straße zu „Devils Throat“, dem Teufels-Schlund, durch die Trigrader Schlucht ist auch schon mit EU-Geldern ausgebaut worden und dementsprechend gut. Man will möglichst vielen Touristen die Sehenswürdigkeiten erschließen, damit Bulgarien mehr vom Tourismus profitieren kann. Die Straße führt durch die wilde Landschaft eines tief eingegrabenen Canons immer dicht neben dem Trigradska Reka entlang. Stellenweise ist die Schlucht sehr schmal und wir fahren unter weit überhängenden Felsen entlang.
Der Parkplatz mit einem Kiosk und Kassenhäuschen liegt direkt vor dem Höhleneingang. Auf der anderen Straßenseite steht auch ein Toilettenhäuschen mit der hier typischen öffentlichen Toilette, einer emaillierten Schüssel im Fußboden mit oben hängenden Spülkasten. So früh am Tag macht die Toilette noch einen einigermaßen sauberen Eindruck. Außen am Häuschen gibt es sogar ein Handwaschbecken mit Seife. Für ein Minimum an Hygiene ist also gesorgt.
Die Tür zur Höhle ist verschlossen, weil gerade eine Führung stattfindet. Vor der etwas vertieft im Felsen liegenden Tür spielt ein Mann auf dem Dudelsack. Der Künstler heißt Svetlyp Zhilev und bietet an einem Stand neben dem Kiosk drei verschiedene CDs mit seiner Musik zum Verkauf an, jede kostet 10,00 Lewa.
In jedem Urlaub bin ich immer auf der Suche nach origineller Landesmusik für meine Reisevideos, deshalb frage ich den Künstler welche der drei CD’s dafür am besten geeignet wäre und nehme dann die, die er mir empfiehlt.
Das Ticket für die Höhle kostet nur 3 Lewa je Person. Bevor wir hineingehen, erklärt ein Mädchen auf Englisch etwas über die Größe und den Weg durch die Höhle. Wer in der Höhle feststellt, dass er es nicht schafft durchzugehen, kann auch wieder zurück.
Durch einen Gang gehen wir in einer Gruppe von etwa 15 Leuten dann hinein, etwa 30 m einen sandigen Weg entlang und über große Steine hinunter in den „Brausenden Raum“. Der Wasserfall mit dem brausenden Wasser hat hier viele kleine Wasserfälle gebildet. Am Grund des Raumes fließt der Fluss hindurch. Dann geht es am Wasserfall entlang eine steile Treppe, teils aus eisernen und teils aus Betonstufen, nach oben und man verlässt die raue Unterwelt an der Stelle wo der Fluss in die Höhle eintritt.
Innen ist es trotz Beleuchtung zu dunkel um Fotos und Videoaufnahmen zu machen. Wir haben es zwar probiert, aber das Ergebnis ist sehr bescheiden. Wir müssen uns deshalb mit dem äußeren Teil begnügen.
Gedenktafel für ein verunglücktes Paar
An einem Felsen in der Nähe des Parkplatzes ist eine Gedenktafel angebracht. Am 18. September 1970 ist hier ein junges Paar, einundzwanzig und neunundzwanzig Jahre alt, bei einer Bergwanderung verunglückt.
Trigrader Schlucht
Wir fahren noch weiter bis nach Trigrad, einem kleinen Dorf kurz vor der griechischen Grenze. An einem kleinen Supermarkt halten wir an und holen Wasser, Obst und Brot. Hier finden wir auch einen Kugelschreiber und ein Schulheft, so muss ich die Notizen nicht mehr auf losen Blättern schreiben.
Dann fahren wir zurück in Richtung Hotel Orphei. Die Grenzpolizisten sind nicht mehr zu sehen. Sie sind inzwischen sicher an einer anderen Straße und machen dort ihre Stichprobe.
Wir fahren die Rhodopen-Panorama-Straße, auf der wir gestern gekommen sind, wieder ein Stück zurück und biegen dann ab in Richtung Jagodina-Höhle, die einige Kilometer hinter dem Dorf Jagodina liegt. Sie ist mit 6.450 Metern eine der längsten Höhlen in Bulgarien.
Die Straße dorthin führt wieder durch eine schmale Schlucht. Manchmal ist sogar der Straßenrand am Fluss abgesackt. Bei Gegenverkehr ist es dann sehr eng.
Inzwischen hat auch der Wochenendverkehr zugenommen. Ein Reisebus muss vor einem Felsentunnel stehen bleiben. Er kommt hier nicht weiter. Die Reisegruppe muss aussteigen und wird dann mit Kleinbussen bis zur Höhle gefahren.
Bei einem „Dangerous“-Schild berühren sich oben fast die beiderseits der Schlucht liegenden Felsen. Genau an dieser Stelle ist die Straße in den Fluss abgesackt und die Leitplanken sind eingebrochen. Hier werden schnellstens wieder EU-Gelder gebraucht.
Vor der Höhle kommt es zu einem langen Stau. Nur mühsam schleichen wir an den zurück kommenden Autos vorbei bis zu einem Rastplatz. Bei diesen Menschenmassen werden wir auf einen Besuch der Höhle verzichten.
Unter den Bäumen lassen wir uns zum Picknick nieder. Wir haben Brot, Tomaten und auch noch den Honig aus Melnik. Auch hier sind wieder einige Stände an denen selbstgemachte Marmelade angeboten wird. Aber trotz Wochenendbetrieb gibt es keine Käufer. Wir laufen noch ein Stück die Straße hinauf bis zum Höhlenausgang. Dahinter wird die Straße noch schlechter, denn Touristen fahren hier sicher nicht mehr weiter.
Wieder zurück auf der Rhodopen-Panorama-Straße fahren wir direkt weiter in Richtung Pamporovo. Dort wollen wir übernachten.
Gegen 16.30 Uhr kommen wir dort an. Auf der Suche nach einem für uns günstigen Hotel fahren wir mehrmals durch den recht weitläufigen Ort. Was wir dabei sehen, sind eigentlich nur Baustellen, große Hotels und Appartementhäuser. Die Straßen des Ortes sind wegen der Baustellen dreckig, die Luft ist staubig und es gibt viel Lärm. Das ist für uns kein Ort zum Bleiben. Man bereitet sich hier offenbar auf die nächste Wintersaison vor.
Wir fahren weiter nach Smoljan durch eine schöne Berglandschaft. Auch Smoljan ist auf den ersten Blick keine schön anzusehende Stadt.
In Smiljan geraten wir wieder in eine „Border Police“-Kontrolle. Ich frage den Polizisten nach einem Hotel in Smiljan. Er greift zum Handy, führt ein kurzes Telefongespräch und beschreibt uns dann den Weg zum „Mletschen Dom“ (Molkerei).
Dort werden mir zwei Zimmer zur Auswahl gezeigt. Vorher hat das Mädchen die Schuhe aus- und Pantoffeln angezogen. Hier scheint es sehr sauber zuzugehen. Ich suche eines der beiden Zimmer aus und hole dann das Auto, in dem Angelika noch wartet, auf den Hof und wir ziehen mit unserem Gepäck ein. Jetzt erhalten auch wir unten an der Treppe nagelneue Pantoffeln. Aus einem riesigen noch verschnürten Stapel, sucht uns das Mädchen die passende Größe heraus. Später klopft sie noch mal am Zimmer und bringt uns die Registrierscheine zum Ausfüllen, das unvermeidliche Verfahren in Bulgaria.
Der Tisch ist schon gedeckt als wir hinunterkommen. An einem anderen großen Tisch ist das gesamte Personal der Molkerei zum Essen versammelt. Wir bekommen einen großen gemischten Salat mit Brot, jeder zwei gefüllte Paprikaschoten, garniert mit etwas Rohkost aus Mais, Rotkohl, Möhren und gebackenem Frischkäse. Zu trinken nehmen wir eine Kanne frisches Quellwasser und ein, wie uns die Wirtin erklärt, Mixgetränk aus Joghurt und Wasser, das die Kinder hier „Fanta-Muh“ nennen. Es schmeckt etwa so wie Kefir. Als Dessert bringt sie uns dann noch eine Schale Milchreis mit Zimt zum Probieren. So gut haben wir lange nicht gegessen und die Wirtin freut sich, dass wir nichts übrig lassen.
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