Mittwoch, 9. Juli 1997 - 4. Tag Nach Miðhraun auf der Halbinsel Snæfellsnes
Wir stehen um 7.30 Uhr auf und frühstücken zusammen mit der Wirtin in der Küche. Es gibt alles, was ein gutes Frühstück ausmacht, Müsli, Kaffee, Tee, Wurst, Käse, Marmelade, das helle, weiche isländische Brot, Knäckebrot usw. Wir sind rundum zufrieden. Um 9.00 Uhr verabschieden wir uns und fahren auf der unbefestigten Straße Nr. 523 und dann über die 50 wieder auf die Nr. 1 in Richtung Borgarnes. Vor dem Ort biegen wir rechts ab auf die Nr. 54 (Òlafsvikurvegur).
Die erste Sehenswürdigkeit kurz vor der Halbinsel Snæfellsnes ist der formschöne Krater Eldborg (Feuerberg), ein 100 m hoher Ringwallkrater, der vor 5000-8000 Jahren bei einem Vulkanausbruch entstand. Die Wände das Lavarings ragen steil empor. Seine maximale Tiefe beträgt 60 m. Er liegt in einem Naturschutzgebiet unweit der Hauptstraße. Von den Ausbrüchen stammt der große Lavastrom Eldborgarhraun rings um den Krater. Man sagt, dass sogar noch zur Zeit der Besiedlung Lava geflossen ist. Eigentlich hätten wir auf den Eldborg hinaufsteigen sollen. Wir wollen aber so schnell wie möglich den nächsten Hof erreichen und dort in der Nähe etwas wandern.
Als wir die Straße 54 um den Eldborg herumfahren haben wir einen herrlichen Blick auf das mächtige Bergmassiv Hafursfell. Es besteht aus vielen Gipfel und stößt westlich von Núpudalur weit ins Tiefland vor. Der höchste Gipfel im Norden ist mit 956 m der Skyrtunna.
Bei dem Bauernhof Fáskrúδarbakki machen wir halt. Auf dem Gelände des Hofes steht eine schöne Kirche, weiß mit grünem Dach. Die müssen wir unbedingt fotografieren.
Nach ein paar hundert Metern biegen wir rechts ab zm Hof Miδhraun und sind bei unserer nächsten Unterkunft. Der Hof macht schon von außen einen sehr soliden Eindruck. Wir sind aber etwas zu früh und müssen noch etwa eine halbe Stunde warten, bis wir unser bestelltes Doppelzimmer beziehen können.
Auf der Bank vor dem Haus sitzt ein Paar aus Bremen. Sie sind mit Fahrrädern unterwegs und ruhen sich heute hier aus. Sie erzählen uns, dass sie gestern bei starkem Gegenwind eine Strecke von 70 km über Wellblechpiste gefahren sind. War eine echte Tortur. Nun gibt es erst mal einen Ruhetag.
Dann zeigt uns die Tochter des Hauses unser Zimmer. Sie spricht nur englisch. Das Haus ist auch innen renoviert. Viel ist mit Holz verkleidet. Das Zimmer im Dachgeschoss ist sehr schön. Auch eine Küche ist vorhanden und ein Badezimmer mit Wanne.
Hier könnte man es länger aushalten, wenn genügend Zeit wäre. Es gilt aber die vorhandene Zeit optimal zu nutzen, zumal die Sonne noch scheint. Deshalb packen wir gleich erstmal einen kleinen Rucksack und gehen wandern. Oberhalb des Hofes befinden sich die sonderbaren Berge Ljósufjöll, farbenprächtige Rhyolithberge, die zweithöchste Erhebung auf der Snæfellsnes-Halbinsel. Schon vom Hof aus können wir am Berghang einen Wasserfall erkennen. Das soll unser Ziel sein.
Gleich hinter dem Hof geht es auf mit spärlichem Grün bewachsene Lavahügel hinauf. Dann über Wiesen und Lavafelder dem Wasserfall entgegen. Wegen der grasenden Schafe ist das Gelände eingezäunt. Über Treppen lassen sich die Zäune aber mühelos überwinden.
Wir sind in dem weiten Gelände, von ein paar Schafen abgesehen, völlig allein mit der Natur. Es gibt keinen Weg, bestenfalls kaum sichtbare Pfade. Hierher verirren sich also nur wenige Wanderer und das ist gut so für uns. Einige Male müssen wir Bäche überqueren.
Nach einer guten Stunde sind wir am Wasserfall. Der ist nicht riesig, aber dafür schön. Ein idealer Platz zum Ausruhen, was wir auch tun. Noch ist es sonnig bei etwa 16 °C. Also Jacke aus, kleinen Imbiss einnehmen, dann ins Gras legen und mit dem Rauschen das Wasserfalles und Vogelgezwitscher im Ohr eine Weile dösen. So schön kann Island sein, wenn das Wetter mitspielt.
Um 16.00 Uhr sind wir wieder zurück am Hof und machen uns in der Küche einen Tee. Danach fahren wir gegen 17.30 Uhr zum Hof Ölkelda mit der gleichnamigen Mineralquelle. Der Name bedeutet zwar Bierquelle, doch was da sprudelt ist kohlensäurehaltiges Wasser. Auf einem großen Schild werden u.a. die Bestandteile im Vergleich zu normalem Trinkwasser dargestellt. Für 50 IKR füllen wir uns eine Flasche mit dem frischen Quellwasser.
Überall in Island sieht man die in Plastikfolie verpackten Heuballen. Diesmal mit dem Snæfellsjökull im fernen Hintergrund.
Als wir wieder am Hof Miδraun ankommen, sind noch ein paar andere Autos eingetroffen. Ein Geländewagen sieht ziemlich schlammbespritzt aus. Er gehört einem Dänen mit dem wir ins Gespräch kommen, weil er gut deutsch spricht. Er arbeitet hier in Island auf dem Flughafen Keflavik und hat sich den Geländewagen aus Dänemark im Container hierher bringen lassen. Nun machen er und seine Frau (oder Freundin?) mit der Oma eine Rundfahrt. Die Oma ist auf jeden Fall weit über siebzig und wollte unbedingt Island kennenlernen. Er meint, dass er bei den Straßen immer ein bißchen Angst hat, dass der Oma die Zähne aus dem Gesicht fallen. Sie macht zwar einen zerbrechlichen Eindruck, scheint aber hart im Nehmen zu sein.
Heute bestellen wir uns hier ein Touristenmenü zum Abendessen, denn wir haben heute unterwegs keine Suppe gekocht. Es gibt eine Vorsuppe, leckeres gebratenes Fischfilet mit Salzkartoffeln, einen kleinen Salat dazu sowie quellfrisches Wasser aus der Leitung. Serviert wird von der Tochter des Hauses. Das Ganze kostet 1.400 IKR etwa 33,00 DM je Person. Ein stolzer Preis, aber in Island ist eben alles etwas teurer und einmal kann man sich das leisten.
Abends gibt es dann noch ein kleines Malheur im Haus. Wir sitzen gerade mit den Dänen in der Halle, als plötzlich Wasser von der Decke tropft. Nach einigem Herumrätseln merken wir, dass oben jemand ziemlich geräuschvoll badet oder inder Wanne duscht. Die Wände im Bad sind nämlich auch teilweise mit Holz verkleidet und offenbar an der Wanne nicht richtig abgedichtet.Bisher hatten wir die Chefin nur kurz zu Gesicht bekommen. Sie spricht nicht englisch, scheint sehr zurückhaltend zu sein und konzentriert sich vermutlich auf die Küchenarbeit. Der Däne klopft schließlich an der Küchentür und weist sie mit dem Isländisch, was er bisher gelernt hat, auf das Problem hin. Sie sieht zwar mit etwas Sorge das Wasser aus der holzverkleideten Decke tropfen, traut sich aber nicht gleich an der Badtür Alarm zu schlagen. Da es nicht aufhört zu tropfen bleibt ihr aber nichts weiter übrig. Sie klopft vorsichtig an die Tür. Keine Antwort. Sie klopft nochmal und sagt etwas auf isländisch. Sie weiß ja auch nicht welche Sprache der Badende versteht. Es kommt wieder keine Antwort. Achselzuckend kommt sie wieder runter und verschwindet in der Küche. Aber plötzlich hört das Tropfen auf. Entweder war der Gast fertig oder er hat doch etwas verstanden. Wer es war, haben wir nicht mitbekommen, denn bei dem einen Bad geben sich die vielen Warmduscher die Klinke in die Hand.
Bevor wir schlafen gehen machen wir noch einen Spaziergang über das Gelände des Hofes. Aus einem Stall kommen merkwürdige Geräusche. Neugierig wie wir sind, sehen wir uns das näher an, zumindest durch ein offenes Fenster. Die Überraschung ist perfekt. Der ganze Stall ist voller Käfige mit Pelztieren darin, ähnlich der Hühnerhaltung bei uns. Wir wissen nicht ob es Nerze oder Zobel sind. Auf jeden Fall aber ähnliche Tiere, deren Zucht wahrscheinlich einen schönen Nebenverdienst bringt.