Wir fahren auf dem Highway Nr. 2 weiter nach Tauranga, der größten und wichtigsten Stadt an der Bay of Plenty. Die Stadt lebt im Wesentlichen von dem ideal gelegenen Hafen und dem benachbarten Ferienort Manganui. Inzwischen ist auch das Wetter wieder besser geworden. Der rege Verkehr zwingt uns schneller zu fahren als wir eigentlich wollen. Das hat zur Folge, dass wir uns bei einer etwas sparsamen Beschilderung verfahren. Wir hätten irgendwo mal links Richtung Whakatane abbiegen müssen, aber plötzlich zeigt der Wegweiser in die entgegengesetzte Richtung. Das heißt, wir müssen wenden. Mit einem 6,5 m langen Wohnmobil mitten in einer Stadt immer nicht ganz einfach. An der nächsten Einmündung biegen wir links ab in eine Straße mit Mittelstreifen. Dort lässt es sich an der nächsten Kreuzung gut wenden, denn es ist kaum Verkehr hier. Wieder vorn an der Hauptstraße wollen wir rechts abbiegen um in Richtung Whakatane fahren zu können. Aber ebenso wie man bei uns in Deutschland bei der Auffahrt auf Hauptstraßen nicht links abbiegen darf, können wir hier nicht rechts abbiegen. Es geht nur links oder geradeaus. Wenn wir geradeaus fahren, müssten wir eigentlich nach nochmaligem Wenden links auf die Hauptstraße einbiegen können und damit in die richtige Richtung gelangen. Wir queren also die Hauptstraße und landen in einer breiten Sackgasse auf der wir gleich hinter der Kreuzung bequem wenden können. Eine Frau, die an der Straße steht, sieht das und vermutet sicher gleich, dass wir uns verfahren haben. Sie kommt zu uns herüber und fragt, ob sie uns helfen kann. Obwohl wir unser Problem nun schon gelöst haben, sage ich ihr, dass wir nach Te Puke wollen und sie zeigt in die Richtung, die wir nehmen wollen. Ich bedanke mich trotzdem für die Hilfsbereitschaft. Dann sind wir endlich wieder in der richtigen Spur auf dem Weg zur Kiwi-Plantage bei Te Puke.
Die Kiwi ist nicht nur eine köstliche Frucht oder ein flugunfähiger Vogel, Kiwis nennen sich auch die weißen Neuseeländer.
So besitzen die Neuseeländer ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein und ein gerütteltes Maß an Nationalstolz. Man liebt die Unabhängigkeit und verwahrt sich gegen jede Einmischung von außen. Man kümmert sich in Neuseeland viel mehr um das Leben und Schicksal des Mitmenschen als um Ereignisse fremder Nationen. Hervorzuheben ist auch die Hilfsbereitschaft der Neuseeländer, wie wir soeben in Tauranga erfahren konnten.
Als wir an Te Puke vorbei sind, ohne etwas von der Kiwiplantage gesehen zu haben, befürchten wir schon, dass wir sie übersehen haben. Durch das Walkie-Talkie fragen wir bei Hanni und Rolf nach. Aber auch den beiden ist nichts aufgefallen. Dabei lässt sich die größte Kiwifrucht-Anbauplantage der Welt nicht verfehlen. Nach ein paar Kilometern wird eine überdimensionale 30 m hohe Kiwischeibe aus Plastik am Straßenrand schon weithin sichtbar.
Donnerstag, 8. November 2001 Kiwifruit Country
Wir fahren vom HW Nr. 2 ab und gelangen auf einer Parallelstraße zur Einfahrt auf das Gelände von Kiwifruit Country. Dort erwartet uns ein Informationszentrum mit einem gigantischen Souvenirshop. Hier gibt es alles, was man nur im Entferntesten mit Kiwifrüchten in Vebindung bringen kann. Es gibt allerlei Kosmetika mit Kiwiduft, alkoholische und nicht alkoholische Getränke, T-Shirts und andere Kleidungsstücke mit Kiwi-Motiven und vieles mehr. Ich erstehe hier für 20 NZ$ eine kleine Tasche für die Videokamera. Die Original-Kameratasche ist zu groß, um sie nach draußen mitzunehmen. Ohne Tasche trage ich die Kamera aber, wenn ich sie mal nicht benutze, immer ungeschützt mit mir herum. Jetzt kann ich sie auch mal in die schöne kiwifarbene Tasche legen, diese umhängen und habe die Hände frei.
Wir holen uns für 11 NZ$ pro Person Tickets für eine Rundfahrt durch die Plantage und erhalten dazu auch ein Blatt mit ausführlichen Informationen in Deutsch nachdem sich das Mädchen an der Kasse nach unserer Nationalität erkundigt hat. Im Hof müssen wir dann noch eine Weile warten. Die nächste Rundfahrt findet um 14.00 Uhr statt. In dem parkähnlich gestalteten Innenhof stehen unter Farnen Plastik-Nachbildungen von zwei Kiwis, den flugunfähigen Wappentieren Neuseelands. Auf den Bäumen jedoch zwitschern lauthals einige flugtaugliche Vögel. Es ist schön hier.
Donnerstag, 08. November 2001 „Kiwi-Bahn“ in Kiwifruit Country
Dann beginnt die Rundfahrt mit der „Kiwi-Bahn“ durch die Plantage. In kleinen Wägelchen, die so gestaltet sind, dass man wie mitten in einer Kiwifrucht sitzt, rattern wir durch ausgedehnte Plantagen und erhalten über Lautsprecher Erklärungen in Englisch zu dieser höchst ertragreichen Frucht. Bei dem Geratter der kleinen Wagen auf teilweise unbefestigten Plantagenwegen verstehen wir ohnehin nicht viel. Wie gut, dass wir noch ein Infoblatt auf Deutsch haben. Dann halten wir an einer Pflanzung an und ein Angestellter der Plantage hält uns einen Vortrag über Anbau und Ertrag der Früchte.
Begonnen hat der Kiwianbau in Neuseeland in den fünfziger Jahren, nachdem mit den Pflanzen, der als chinesische Stachelbeere bekannten Frucht, experimentiert wurde. Zu dieser Zeit wurden die ersten Früchte nach England exportiert. Den Hauptaufschwung gab es aber in den siebziger Jahren, als einige Bauern ihr Weideland auf Obstplantagen umstellten. In der Bay of Plenty (Bucht des Überflusses) herrscht das geeignetste Klima für den Kiwifrucht-Anbau.
Donnerstag, 8. November 2001 Vortrag auf der Kiwiplantage
Erntezeit ist einmal jährlich im April/Mai. Dann herrscht hier absoluter Hochbetrieb. Die Früchte werden gepflückt, sortiert und in riesigen Kühlhäusern bei Temperaturen um 0°C gelagert. Interessant ist bei dieser Pflanze, dass nur die weiblichen Blüten Früchte tragen und deshalb den Großteil jeder Plantage ausmachen. Lediglich wenige männliche sind zur Befruchtung notwendig. Es ist also bei diesen Pflanzen ähnlich wie im menschlichen Leben.
Nach diesem ersten, recht interessanten Vortrag geht es wieder in die Wagen und weiter durch die Plantage bis zur Sortierhalle. Dort erklärt uns der Mann anhand einer Puppe wie die Kiwis gepflückt werden, welche Sorten es gibt und erzählt einiges zum Export. Die größten Kiwis gehen nach Japan.
Donnerstag, 08. November 2001 Vortrag über das Pflücken der Kiwifrüchte
Die Pflücker müssen wollene Handschuhe tragen, damit die Haut der Kiwis nicht beschädigt wird. Sonst würde unweigerlich sofort der Fäulnisprozess einsetzen. Jeder Pflücker trägt einen Umhängebeutel, der 20 kg fasst. Danach werden die Früchte auf den Sortiertisch geschüttet. Besonders geschulte Fachkräfte prüfen die Kiwifrüchte genauestens auf den Sortiertischen. Alle mangelhaften Früchte werden entfernt.
Man hat strenge Qualitätsansprüche festgesetzt, nach denen alle Früchte sorgfältig verpackt werden müssen. Entspricht eine Frucht nicht diesem Standard wird sie vom Export ausgeschlossen.
Donnerstag, 08. November 2001 Alte Kiwi-Sortiermaschine
Dann führt er uns eine alte Sortiermaschine vor. Die Kiwis werden dabei einzeln von einen Greifer erfasst und hochgeworfen. Je nach Gewicht fallen sie dann in Taschen, die versetzt in verschiedenen Höhen angeordnet sind. Dadurch werden die Früchte nach Größe sortiert. Es ist lustig anzusehen, wie die Kiwis durch die Luft fliegen und in den einzelnen Ebenen landen. Diese Maschine ist jedoch Geschichte.
In der großen Halle steht eine sechsspurige Elektrosortiermaschine, die die Früchte elektronisch wiegt, in 8 verschiedene Größen sortiert und diese dann auf 15 Packspuren sowie einen Ausgang für untergewichtige Früchte verteilt. Pro Tag können 30.000 Stiegen gepackt werden. Im Kühlhaus werden die Früchte dann innerhalb von 8 Stunden auf die konstante Temperatur von 0°C gebracht. Bei dieser Temperatur können die Kiwis bis zu 8 Monaten oder sogar länger in bestem Zustand gelagert werden.
Nach dem Vortrag in der Sortierhalle werden wir weiter durch das teilweise etwas kitschig gestaltete parkähnliche Gelände gefahren. Dabei fallen uns besonders die Orangenbäume auf. An einer überdimensionalen Kiwifigur aus Plastik steigen wir aus und können auf eigene Faust durch den Park spazieren. Die kitschige Nachbildung eines Schlosses mit überdimensionalen Orangen davor alles aus Plastik lassen wir links liegen. Diese Gebilde erinnern eher an Disneyworld als an eine Fruchtplantage. Der schöne Teich mit den Goldfischen ist da schon schöner, wenn man von den Wasserspielen mit übergroßen Wasserhähnen absieht. Am Ende des Parks gibt es noch ein Labyrinth, das sicher für die kleineren Besucher gedacht ist.
Donnerstag, 08. November 2001 Kiwi-Plastik im Park der Kiwi-Plantage
Unter den Orangenbäumen liegen jede Menge heruntergefallene Früchte. Wir befühlen sie und stellen fest, dass sie durchaus in Ordnung zu sein scheinen. Ob man die einfach so mitnehmen darf wissen wir nicht. Da aber niemand zu sehen ist, der uns das verbieten könnte, sammeln wir einige auf und legen sie in unseren Rucksack. Dann verlassen wir das Gelände über ein offenes Tor neben dem Infozentrum. Als wir im Wohnmobil eine Orange probieren stellen wir fest, dass sie hervorragend süß und saftig sind. Wir ärgern uns, dass wir nicht mehr davon mitgenommen haben, denn wir bezweifeln, dass das Fallobst hier eingesammelt wird. Wir scheuen uns aber noch mal durch das Tor zurück in den Park zu gehen.
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