Am nächsten Morgen, es ist Dienstag der 6. November, ist wieder freundliches Wetter. Wir blicken in grüne Landschaft und die Vögel zwitschern. Diesmal klappt es mit dem Frühstück bei Hanni und Rolf. Es gibt einen guten Kaffee und für Angelika Kräutertee. Heute wollen wir auf die Coromandel-Halbinsel. Vom Highway Nr. 2 fahren wir kurz nach dem Start links auf die Straße Nr. 25 und dann in Küstennähe durch ein paar kleine unbedeutende Dörfer. Bei dem Dorf Kopu geht die Straße Nr. 25 links weiter und nach etwa 2 km sind wir in Thames, dem einzigen größeren Städtchen auf der Coromandel-Halbinsel mit etwa 6.950 Einwohnern.
Dienstag, 06. November 2001 Gemüseladen in Thames
Als erstes halten wir an einem großen Obst- und Gemüsegeschäft um uns mit Vitaminen einzudecken. Es ist ein hervorragend sortierter Laden mit einem riesigen Angebot. Man kann z.B. mindestens zwischen fünf Kartoffelsorten wählen. Es gibt bläulich aussehende und auch rötliche. Wir wollen uns aber nicht auf Geschmacksexperimente einlassen und wählen, konservativ wie wir sind, Kartoffeln, die so aussehen wie in Old Germany. Ansonsten nehmen wir noch das Übliche, wie Äpfel, Bananen und natürlich Kiwi-Früchte. Danach haben wir das Bedürfnis nach Hause zu telefonieren. In einem kleinen Laden fragen wir nach einer Telefonkarte. Die Verkäuferin preist uns verschiedene Karten an, aber von den Details verstehen wir nur Bahnhof. „What’s the best card to call to Germany”, fragen wir. Sie legt uns eine von Kia Ora hin und erklärt uns noch, dass wir eine PIN frei rubbeln und dann eingeben müssen. Wir fragen nicht weiter nach und denken, dass wir das schon hinkriegen. Damit waren die Schwierigkeiten schon vorprogrammiert. Vor dem Laden ist ein Kartentelefon. Ich stecke die Karte in den Schlitz und das Display zeigt an: „No credit card“. Ja, selbstverständlich ist das keine Kreditkarte, das wissen wir selber. Also nächster Versuch mit dem gleichen Ergebnis. Kein Hinweis zum Eintippen der PIN oder ähnliches. Stattdessen eine ellenlange Ansage mit irgendwelchen Hinweisen, die ich nicht verstehe. Nach etwa vier oder fünf Versuchen bin ich stinksauer auf das Telefon, die Karte und auf meine drei Mitstreiter, die zwar alle was zu sagen haben, aber mir nicht mit dem entscheidenden Tipp helfen. Wutentbrannt suche ich erst mal die Toilette auf, die sich gleich neben dem Laden befand. Als ich so vor dem Pinkelbecken stehe, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das ist keine Telefonkarte, die man in den Schlitz schieben muss und von der dann automatisch der Betrag abgebucht wird! Also auf zum nächsten Versuch: Hörer abnehmen, Ansage abwarten, Kartennummer eintippen, Ansage abwarten, jetzt kommt die Anforderung die freigerubbelte PIN einzugeben. Dann kann ich wählen und schon habe ich Maren am Telefon. Wie einfach, wenn man erst mal weiß wie es geht. Es ist schon Wahnsinn, wenn man bedenkt in welcher Sekundenschnelle die Verbindung hergestellt ist, bei einer Verständigung, die einem Ortsgespräch gleicht. Dazu ist es noch billig, denn das Gespräch von mindestens fünf Minuten hat nicht mehr als 1,50 NZ$ gekostet. Bei jedem weiteren Eintippen der Kartennummer wird nun erst das Guthaben und die mögliche Gesprächsdauer angesagt. An diese im sauberen Englisch gesprochenen Texte kann man sich schnell gewöhnen. Hanni und Rolf rufen danach auch noch bei ihrer Tochter an.
Von Maren erfahren wir leider nichts Erfreuliches. Oma Eva, die wir einige Tagen vor unserer Abreise erst aus dem Krankenhaus geholt hatten, wurde von ihrem Hausarzt wieder in eine Klinik eingewiesen. Es ging nicht mehr ohne ständige Betreuung und, wie sich später herausstellte, war die Einweisung bei ihrem leicht verwirrten Zustand das Beste. Alle paar Tage rufen wir ab jetzt an und erkundigen uns nach dem Stand der Dinge.
Dann fahren wir durch Thames hindurch und weiter die Coromandel-Westküste entlang. Kapitän James Cook ging hier erstmals im Jahre 1769 an Land und berichtete von äußerst gastfreundlichen Maoris. Er gab bei seinem ersten Besuch dem nahen Waihou River den Namen Thames in Anlehnung an den Fluss in Großbritannien. Cook war von dieser Region so angetan, dass er in seinen Aufzeichnungen außer der Bay of Islands noch die Umgebung von Thames zur Besiedlung vorschlug. Als 1852 bei Coromandel das erste Mal größere Goldvorkommen entdeckt wurden, kam es schließlich zur Gründung der Siedlung Thames. Es setzte ein unwahrscheinlich starker Bevölkerungszustrom ein. Zum Höhepunkt des Goldrausches um 1870 lebten hier über 18.000 Abenteurer und versuchten ihr Glück. Es soll damals über 80 Hotels in der Stadt gegeben haben. In über 70 Minen wurde nach Gold geschürft und 693 stamper batteries Steinquetschmaschinen zertrümmerten das Abraummaterial in der Hoffnung Goldklumpen zu entdecken. Noch vor dem ersten Weltkrieg war aber der Goldrausch vorbei. Die Goldvorkommen waren so gut wie ausgebeutet. Die Menschen wanderten aus Thames ab oder widmeten sich der Landwirtschaft. Heute versuchen nur noch wenige Unentwegte ihr Glück.
Hinter Thames führt die kurvenreiche Straße unmittelbar an der Küste entlang. Links hat man, wenn das Wetter mitspielt, das blaue Meer und rechts die mit üppigem Grün bewachsenen Hügel und Berge. Leider fehlt jetzt etwas Sonne, um die Farbenpracht etwas in den Vordergrund zu rücken. Da es bewölkt ist, hat das Meer eher einen Graustich. Das Wetter in Neuseeland kann sehr launisch sein. Aber wir wollen nicht schon am Anfang unserer Reise klagen. Hinter unseren beiden Wohnmobilen bildet sich nun schon mal eine kleine Fahrzeugschlange, denn überholen ist schwierig auf den schmalen und kurvenreichen Straßen. Also nutzen wir jeden Rastplatz als willkommenen Lookout und geben dem nachfolgenden Verkehr damit eine Chance zum Überholen. Wir passieren auf der Fahrt viele one way bridges einspurige Brücken. Hier heißt es aufpassen. Bei der Aufschrift auf der Straße give way muss man anhalten und erst den Gegenverkehr durchlassen, wenn es denn welchen gibt. Sicher hat man die Brücken hier nur deshalb einspurig gebaut, weil die Verkehrsdichte wesentlich geringer ist als auf den Highways mit einstelligen Zahlen. Aber auch dort gibt es one way bridges.
Eigentlich wäre es die Coromandel-Halbinsel wert, dass man hier mindestens eine ganze Woche verbringt. Leider haben wir aber einen straffen Fahrplan, der uns nur 2 Tage dafür Zeit lässt. Auf Raritäten der Landschaft, abseits des Highways, müssen wir deshalb verzichten und hoffen, dass wir noch mal die Gelegenheit haben, Neuseeland für länger zu besuchen. Auf einer Vierwochenreise kann man sich nur einen Überblick verschaffen und einige wenige Besonderheiten rauspicken.
Mit kurzen Zwischenstopps geht es weiter bis zu dem Städtchen Coromandel mit etwa 1000 Einwohnern. Der Name geht auf das britische Schiff Coromandel zurück, das 1820 hier Kauriholz geladen hat. Die Bezeichnung, die ursprünglich nur für den Holzhafen galt, wurde später auf die ganze Halbinsel übertragen.
Hinter Coromandel führt die Straße Nr. 25 nach Osten und auf etwa 10 km lässt der Straßenbelag stark zu wünschen übrig. Von Belag kann man eigentlich nicht reden, höchsten von einem steinigen festgewalzten Untergrund. „Das blanke Abenteuer“, ruft Hanni von hinten durch das Walkie-Talkie. Es ist tatsächlich nicht sehr bequem auf einer solchen Straße zu fahren, aber es gibt hier keine andere.
Dienstag, 06. November 2001 Unbefestigte Straße auf der Coromandel-Halbinsel
Das Wohnmobil rüttelt und schüttelt sich und das Geschirr in den Schränken klappert vor sich hin. Dabei haben wir noch Glück gehabt, denn etwa auf der Hälfte der Strecke fahren wir in einer Rechtskurve an den Resten eines Hangrutsches vorbei, der die Straße verschüttet hatte. Einige Stunden früher hätten wir hier sicher warten müssen. Inzwischen ist aber eine Spur schon frei geräumt, so dass wir durch können. Gleichzeitig wird der Hang etwas abgetragen, damit die Kurve breiter wird und mehr Platz für den nächsten Erdrutsch ist. Noch ein paar Kilometer und es ist überstanden. Es gibt wieder Asphaltbelag und herrliche Landschaftsszenerien entschädigen uns für das Gerüttel.
Als wir zwei Jahre später wieder über die Coromandel fahren, ist durch einen ähnlichen Erdrutsch die Verbindungsstraße zwischen Tapu an der Westküste und Coroglen an der Ostküste gesperrt. Offenbar passiert so was öfter hier.
Dienstag, 06. November 2001 Wild zerklüftete Felsen vor der Coromandel-Nordküste
Ein paar Kilometer weiter halten wir dann auf einem schönen Rastplatz an einer Bucht. Wild zerklüftete Felsen stehen kurz vor der Küste im Wasser und brechen die Wellen, die mit einer frischen Brise anrollen. Ein herrlicher Platz, aber etwas windig und obwohl hin und wieder die Sonne durch die Wolken dringt, ist es kühl, etwa so um die 16-18 °C. Bei warmem Wetter wäre das die richtige Stelle um ein Bad zu nehmen. So muss ich mich mit einem Fußbad begnügen. Das kühle Wasser, so um die 12 °C, regt die Durchblutung in den unteren Extremitäten kräftig an.
Nachdem wir hier uns hier etwa eine Stunde Pause gegönnt haben, geht es weiter. Hinter Kuaotunu macht der Highway 25 einen rechtwinkligen Knick nach Süden. Wir fahren durch Whitianga und über Coroglen weiter bis Whenuakite. Dort fahren wir links in eine schmale asphaltierte Seitenstraße hinein. Sie führt über Cooks Beach nach Hot Water Beach. Dort wollen wir heute übernachten. Cooks Beach ist überwiegend eine Siedlung von Ferienhäusern, die meist leer stehen. Dafür ist der Ort ziemlich geschichtsträchtig. Am 15. November 1769 nahm hier James Cook das Land für King George III. in Besitz und hisste den Union Jack. Sicher haben sich die Seeleute schon damals an dem schönen Strand wohlgefühlt. Die Schaukel, die jetzt vor dem Strand steht, war aber sicher noch nicht da. Angelika und Rolf müssen sie gleich ausprobieren. Bei Angelika klappt es gut, aber Rolf hat etwas Schwierigkeiten Höhe zu erreichen. Hanni ruft ihm zwar zu: „Los Rolf, zeig Angelika was eine Harke ist“, aber es nützt nicht viel. Sie löst ihn dann ab und siehe da es klappt. Frauen können das eben besser. Ich filme die „Kinder“ beim Schaukeln. Schließlich wollen wir nach dem Urlaub auch noch was zum Lachen auf Video haben.
Nach dieser kurzen Einlage fahren wir weiter in Richtung Hahei. Von einem Parkplatz und Lookout geht man etwa dreißig Minuten auf einem Wanderweg hinunter zu einer spektakulären Küstenszenerie. Schon der Ausblick von oben ist einmalig. Vorbei geht es an uralten Pohutukawa-Bäumen, die allerdings erst zur Weihnachtszeit mit ihren roten Blüten beeindrucken. Der Ponga, ein riesiger Farn, ist das nationale Pflanzensymbol. Die Wedel des bis zu 10 m hohen Farns breiten sich über eine Länge von 4 m aus. Auf ihrer Oberseite sind sie matt grün und auf der Unterseite weiß gefärbt. Die letzen Meter zum Strand gehen wir eine Treppe hinunter. Unten umgibt eine märchenhafte, mit wild überwucherten Steilfelsen garnierte Badekulisse den Strand von Cathedral Cove, einem „Highlight“ an der Coromandelküste. Cathedral Cove ist eine Grotte in einer riesigen Felsformation, die von der Meeresbrandung ausgespült worden ist. Bei Ebbe, die wir jetzt gerade haben, kann man hindurchlaufen. Bei Flut soll einem die Gischt jegliche Abenteuergelüste rauben.
An einem anderen, riesigen Felsen, dem Te Hoho, der wie ein Segel in der Brandung steht, kann man die Höhe der Flut deutlich erkennen. Unterhalb dieser Linie ist der Felsen ringsherum schon mehr als einen Meter breit ausgewaschen. Irgendwann in einer fernen Zukunft wird der Felsen seine Standfestigkeit verlieren und umkippen. Wahrscheinlich wird er dann durch die ständige Erosion von Regen und Wind aber nicht mehr so hoch sein.
Dienstag, 06. November 2001, Cathedral Cove mit Felsen „Te Hoho"
Wir laufen soweit, bis der Strand vor der Steilküste endet. Man müsste Zeit haben um hier länger bleiben zu können. Wenn es dann noch warmes Badewetter wäre, nicht auszudenken wie herrlich das sein könnte. Wir sind ja gerade erst angekommen in Neuseeland und werden schon mit solchen Augenweiden der Natur belohnt. In der Steilküste gibt es noch einige kleinere Grotten, in die man hinein kann. Von oben rieseln an manchen Stellen kleine Wasserfälle herunter. Eine traumhafte Kulisse, die wir auch ausgiebig fotografieren und filmen.
Das nächste und letzte Ziel des heutigen Tages ist das Motorcamp am Hot Water Beach. Als wir ankommen hat gerade leichter Regen eingesetzt und es dämmert schon. Wir melden uns an, zahlen 25 NZ$ je Wohnmobil, davon 1 NZ$ extra für Strom, und suchen uns einen freien Stellplatz. Am nächsten Morgen gehen Rolf und ich wieder unserer Lieblingsbeschäftigung nach. Das Black Water (WC-Abwasser) gehört in die Dumpstation, das Grey Water, also die Küchenabwässer, dürfen wir direkt ins Gebüsch laufen lassen. Gleich nach dem Frühstück fahren wir aus dem Motorcamp heraus auf den Parkplatz vor dem Strandzugang. Wie der Name Hot Water Beach schon verrät, quellen hier direkt am Strand Thermalwässer aus dem Untergrund.
Mittwoch, 07. November Hot Water Beach bei Flut
Leider kann man das Naturphänomen nur bei Ebbe genießen, und die war am Morgen gerade vorbei. Außerdem war es sehr windig und es kamen immer wieder Regenschauer. Wir haben uns deshalb mit einem Strandspaziergang begnügt. Bei Ebbe kann man sich am Strand mit den Händen oder einem Spaten ein Loch schaufeln und ein warmes oder manchmal auch heißes Bad nehmen. Abkühlung bringt dann die nächste Welle.
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