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Mittwoch, 14. Juni 2000 - 4. Tag
Zum Hof Alviδra |
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Um 8.00 Uhr stehen wir auf und gehen hinunter um kräftig zu frühstücken. Hier kostet es 800 IKR je Person, 100 IKR mehr als auf Sudur-Bár. Unsere Open Farm Voucher hat man hier anstandslos angenommen.
Es scheint wieder herrlich die Sonne bei einem eisigen Westwind, der von Grönland herüberweht. Bei diesem Wetter macht es gleich mehr Freude durch Island zu fahren, als bei Regen und Nebel.
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Wir halten kurz am Bauernhof Hnjótur. Hier hat man in privater Initiative ein Heimatmuseum aufgebaut. Der Eintritt kostet 300 IKR. Da wir schon einige Museen in Island besucht haben, sehen wir uns das Ganze nur von außen an und fahren weiter. |
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Im Islandatlas heißt es: "Bitte fahren Sie langsamer, wenn Sie an anderen Verkehrsteilnehmern vorbeifahren."
Wir tun das, schon aus Angst um unsere Scheiben, aber der LKW-Fahrer brettert voll durch und wir in die Staubwolke hinein. Scheinbar kennt der den Islandatlas nicht. |
Auch hier entdecken wir, wie schon einmal 1997 bei Akureyri, einen alten Trabi. Er sieht aus, als hätte er seinen Geist aufgegeben. Hätte Sachsenring mit der Trabant-Produktion überlebt, könnte man die vielleicht heute bei Aldi kaufen. |
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Am Ende des Patreksfjörður liegt das gestrandete Schiff "Garðar".
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Von den staubigen Straßen ist unser Auto so verdreckt, dass wir ihm in Patreksfjörður erst mal eine Besen-wäsche verpassen.
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Hier geht es auf der 63 (Bíldudalsvegur) am Tálknafjörður entlang mit dem gleichnamigen Ort im Hintergrund.
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Auf dem Bergpass Hálfdan (512 m) steht eine moderne Schutzhütte der isländischen Rettungsgesellschaft. |
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Man soll die Hütten zwar nur im Notfall betreten und sich nicht unnötig hier aufhalten, aber wir sind neugierig, wie es darin wohl aussieht. Deshalb gehen wir hinein. Die Hütte hat einige Pritschen und eine kleine Gasheizung. Auch Verbandszeug für den Notfall ist vorhanden. |
Auf dem kleinen Tisch mit Stuhl davor liegt das Hüttenbuch. Wir blättern darin und finden auch Eintragungen in deutscher Sprache, z.B. vom 24.7.99: "Eine der besten Hütten, die ich bis jetzt gesehen habe. Esse etwas und ruhe mich einen Moment aus. Klaus Boss, Genève, Switzerland" |
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Hier ein Eintrag von einem echten Notfall in der Nacht vom 25. zum 26.7.95:
"Komme hier mitten in der Nacht an, es regnet und ich bin erschöpft - wie gut dass es die Hütte gibt!
Anja Wöhlke, Karlsruhe/Germany" |
Ein Stück hinter dem Pass hat man einen schönen Blick auf den Tálknafjörður mit dem kleinen Ort Bíldudalur.
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An einer geschützten Stelle finden sich sogar in den Westfjorden einige Nadelbäume. |
Bíldudalur hat etwa 300 Einwohner und liegt am Ende einer kleinen Bucht des Arnarfjörður. Im Jahre 1790 wurde von hier aus erstmals Salzfisch nach Spanien exportiert. Lange Zeit galt der Salzfisch von Bíldudalur als Gütemarke im Handel.
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Am Fossfjörður fahren wir ein Stück hinter einem Straßenhobel her, der die Spurrinnnen, die sich zwangsläufig auf den oft nassen unbefestigten Straßen bilden, abhobelt.
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Ein paar Meter weiter halten wir am Fjordufer an. Schon beim Aussteigen, werde ich sofort von einer Seeschwalbe attackiert. Sie schnattert ganz aufgeregt und stürzt sich immer wieder auf mich herab, ohne mich direkt zu berühren. Ich flüchte mich schnell ins Auto, aber sie fliegt weiter aufgeregt schnatternd vor dem heruntergelassenen Fenster herum.
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Dann sehen wir aber, was den Vogel so beunruhigt. Wir stehen mit dem Auto unmittelbar vor dem Nest am Straßenrand. Erst hat sie der Straßenhobel aufgeschreckt und jetzt sind wir noch genau hier stehen geblieben. Also nichts wie weg hier, damit die Seeschwalbe weiter brüten kann. |
In einen Zufluss am Ende des Fjords ergießt sich der Wasserfall Foss. |
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Als wir um den Fjord herum sind, sehen wir das Warnschild: "Vorsicht Brutgebiet Vögel auf dem Wege". Wäre auf der anderen Seite auch so ein Schild gewesen, hätten wir besser auf ein Nest am Wege geachtet. Viele See-schwalben auf dem Weg hatten wir schon 1997 in der Nähe von Vík í Myrdal beobachtet. |
Solche Schilder weisen eigentlich immer auf einen kleinen Ort oder einen Bauernhof hin. |
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Hier ist es aber wieder nur einer von vielen verlassenen Höfen in den Westfjorden. |
Auf der 60 (Vestfjarðarvegur) über die Dynjandisheiði kommen wir wieder in ein Gebiet mit viel Schneeresten.
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Der Fluss Dynjandi entspringt aus dem See Eyjarvatn auf der Hochebene Dynjandisheiði.
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Hier fällt der Dynjandi über die Felskante und bildet die mächtigen Wasserfälle Dynjandifossar. |
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Der oberste Wasserfall wird auch Fjallfoss genannt. Er ist mit seinen 100 m der größte Wasserfall der Westfjorde und einer der schönsten von Island. |
Wir halten uns fast zwei Stunden hier auf und filmen und fotografieren ausgiebig das grandiose Schauspiel, das dieser Wasserfall bietet. |
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Unterhalb des großen Dynjandi gibt es noch fünf weitere Wasserfälle: Háifoss, Úðafoss, Göngufoss, Hundafoss und ganz unten den Bæjarfoss. Danach mündet der Fluss in den Arnarfjörður.
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Am Weg neben den Wasserfällen wird z.Z. gearbeitet. Wir treffen eine Gruppe deutscher Studentinnen, die hier nicht gerade eine leichte Arbeit verrichten und kräftig zupacken müssen. In großen Säcken liegen Steinplatten neben dem Weg. Offensichtlich hat man die mit einem Hubschrauber hier abgeladen. Aus den Säcken heraus tragen die Mädchen die Steinplatten zum Weg und verlegen sie dort, damit es die Touristen, die in der bald beginnenden Saison hier in Bussen angekarrt werden, auch schön bequem haben und auf den Graspfaden nicht ausrutschen. Und dann ist die Besichtigung der Wasserfälle auch noch umsonst - oder bald nicht mehr?
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Auf der Passstraße über die Hrafnseyrarheiði galt früher im Winter als gefährliche Strecke, was zahlreiche tragische Todesfälle belegen. Man kann ahnen, welche Schneemassen sich hier im Winter ansammeln.
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Hier führt die 60 auf einem Damm direkt durch den Dýrafjörður (Tierfjord). Früher musste man um den gesamten Fjord herum fahren. Durch den Damm verkürzt sich die Fahrtsrecke erheblich. Der Dýrafjörður gehört zu den malerischsten Islands. Steile Berge ragen nahezu senkrecht in die Höhe und lassen wenig Raum für Landwirtschaft.
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Unsere nächste Unterkunft erreichen wir über die 624 (Ingjaldssandsvegur) auf dem Hof Alviðra. Wir klopfen erst an einem kleinen Haus an der Straße. Ein Mann kommt heraus und schickt uns zum Bauernhaus etwas weiter oberhalb der Straße. Offensichtlich wohnen hier in dem kleinen Haus auch nur Gäste. Das andere Haus macht dann auch schon einen komfortableren Eindruck. Wir klingeln und jetzt öffnet uns eine Frau im mittleren Alter. Wir fragen, ob wir ein Doppelzimmer haben können und sagen auch gleich, dass wir einen Open Farm Voucher haben. Angemeldet haben wir uns nicht, denn nach den bisherigen Erfahrungen sind in den Westfjorden zu dieser Jahreszeit wenig Touristen unterwegs. Alles kein Problem. Es ist Platz für uns, auch der Voucher wird akzeptiert. Sie holt ein Mädchen, das uns zum Gästehaus begleiten soll. Das Mädchen ist eine Deutsche und heißt Jessica. Sie fährt mit uns ein Stück vor zu einem anderen Haus.
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Es ist wie auf vielen Bauernhöfen das alte Haus und dient jetzt ausschließlich als Gästehaus. Jessica hilft uns die Sachen ins Haus tragen. Andere Gäste gibt es nicht. Wir haben das ganze Haus für uns. Vom großen Wohnzimmer gehen mehrere Schlafzimmer. Wir können uns eins aussuchen. Es gibt ein annehmbares Bad und eine voll eingerichtete Küche. Das Wohnzimmer ist gemütlich eingerichtet, so dass man sich hier auch länger wohlfühlen könnte.
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Aus dem Wohnzimmer haben wir einen tollen Blick auf den Fjord. Leider ist das schöne Wetter vorbei. Im Laufe des Tages hat es sich eingetrübt und ab und zu fallen ein paar Regentropfen. So ist das nun mal auf Island.
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Nachdem wir uns eingerichtet und etwas gegessen haben, sehen wir uns draußen noch das Gelände des Bauernhofes und die nähere Umgebung an. Der Hof ist ein geschichtsträchtiger Ort, denn der erste Siedler hier war kein geringerer als der Sohn des norwegischen Königs Harald Schönhaar. Er kam etwa im Jahr 872 nach Island.
Es ist schon nach 21.00 Uhr als wir wieder im Gästehaus sind. Um uns aufzuwärmen machen wir uns noch heißen Tee. Außerdem haben wir mit Jessica vereinbart, dass sie zusammen mit uns Tee trinkt, wenn ihr Arbeitstag vorbei ist. Es ist schon nach 22.00 Uhr als sie kommt. Draußen ist es aber immer noch taghell, denn wir haben Anfang Juni und sind in der Nähe des Polarkreises. Noch werden die Tage etwas länger. Jessica ist 20 Jahre alt, hat eine Lehre geschmissen, weil sie keine rechte Lust mehr dazu hatte und wurde dann vom Arbeitsamt für ein halbes Jahr nach Island vermittelt. Davon hat sie jetzt die Hälfte geschafft. Anschließend möchte sie ihr Abitur nachholen und studieren. Sie erzählt uns fast ihre gesamte Lebensgeschichte, ihre Erlebnisse bei einer Nepalreise und besonders ihre Erfahrungen mit dem Island-Job. Vorwiegend arbeitet sie zusammen mit der Bäuerin im Haushalt und hat dort den ganzen Tag zu tun. In der freien Zeit war sie anfangs mehr oder weniger allein. Die Kinder des Bauern und seiner Frau wohnten nicht mehr im Haus. Wegen der Sprachbarriere hat kaum jemand mit ihr gesprochen. Die Bauersleute können kein Englisch und Jessica konnte kein Isländisch. Es blieb ihr nichts weiter übrig als Wort für Wort ein bißchen davon zu lernen. Abwechslung, die ein deutsches Mädchen von zu Hause kennt, gibt es hier nicht. Der nächst größere Ort ist Þingeyri auf der gegenüberliegenden Seite des Fjordes. Aber los ist dort auch nichts. Dann hat sie die Tochter der Bauern mal irgendwohin mit in die Disco genommen. Dabei ging dann für Eintritt und Getränke ein Großteil des wenigen Taschengeld drauf, das sie neben freier Kost und Logis noch erhält. Insgesamt war die Zeit bisher für Jessica nicht gerade leicht und sie erschien uns schon ziemlich geläutert. Hoffen wir, dass sie zu Hause ihr Leben nach diesen Erfahrungen wieder besser in den Griff bekommt. Fast 2.00 Uhr ist es, als sie sich verabschiedet und wir uns auch in die Falle begeben.
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