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Montag, 28. August 2006
Nach Kulata


Um 8.15 Uhr gehen wir hinunter zum Frühstück. Der Gastraum ist düster und entspricht dem Stil der sechziger Jahre. In der Frühstücksecke sitzen an einem kahlen Sechsertisch vier Männer beim Frühstück. Der Kleidung nach scheinen es Arbeiter zu sein. Wir setzen uns an einen Vierertisch. Daneben steht noch ein größerer Tisch auf dem ein Berg Wäsche liegt. Hier scheint die Frau von der Rezeption, die jetzt hinter der Theke Kaffee kocht, die Hotelwäsche zu bügeln. Vermutlich macht sie hier alles allein.

Wir geben unseren Bon an der Theke ab und bekommen dafür ein ziemlich karges Frühstück serviert. Zu Trinken bestellt Angelika Tee und ich Kaffee. Auf den Tisch legt uns die Frau, wie in kleinen Bistros üblich, das in eine Serviette eingewickelte Besteck, bringt Kaffee und Tee, einen kleinen Teller mit Marmelade, 4 Scheiben Weißbrot, ein kleines Stück Bierschinken und ein Stück Schafskäse.

Bis auf den Kaffee entspricht das Frühstück etwa dem im Zentralgefängnis von Sofia vor 41 Jahren.

Natürlich dürfen wir jetzt nicht vergessen, dass das Frühstück mit 3 Lewa je Person sehr billig ist und man dafür kaum mehr erwarten kann. Wir sind nur noch verwöhnt von dem Buffet im Hotel Niky in Sofia. Die zwei Sterne Unterschied müssen sich aber irgendwie bemerkbar machen.

Heute fahren wir Richtung E 79, dort nach Süden und dann nach Blagoevgrad hinein.

1965 hatten wir einen Busausflug dorthin unternommen, um die Gegend zu erkunden. Erinnerungen an die Stadt habe ich aber nicht mehr. Auf dem Weg zum Zentrum sehen wir nur hässlich graue und heruntergekommene Plattenbauten und viel Müll. Über kaputte Straßen und Fußwege drehen wir nur eine Runde und fahren schnell wieder hinaus.

Mehrmals geraten wir mit einem Vorderrad in ziemlich tiefe Löcher in der Straße. Es sind meist tieferliegende Kanaldeckel, die man beim Erneuern oder Reparieren des Straßenbelages höhenmäßig nicht angepasst hat. Etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter tiefer liegende Kanaldeckel sind keine Seltenheit. Wir versuchen solche Löcher möglichst durch Slalomtaktik zu umfahren, aber nicht immer gelingt es.

Die nächste Stadt ist Simitli. Bis hierhin hatte uns 1965 ein LKW-Fahrer von Stanke Dimitroff aus mitgenommen. Die E 79 führt heute an Simitli vorbei.


Simitli

Ehemalige Gaststätte in Simitli


Simitli macht einen schlimmeren Eindruck als vor 41 Jahren, trotz der westlichen Werbung, die überall eingezogen ist. Hier gibt es zwar nicht so große Wohnblocks wie in Blagoevgrad, aber die Kleinstadt hat auch nur etwa 7.500 Einwohner. Ich mache ein paar Fotos von dem Haus in dem ehemals die Gaststätte war und während wir durch die Stadt durchfahren macht Angelika noch ein paar Videoaufnahmen.

Dann fahren wir wieder auf die E 79 zurück und weiter nach Sandanski. Wir fahren links in den östlich der Fernstraße liegenden Teil der Stadt hinein. Ich hoffe, den Platz wieder zu finden, auf dem Ralf und ich 1965 das Taxi wechselten und in dessen Nähe auch das Gebäude war, in das man uns nach der Verhaftung in Kulata gebracht hatte. Überall, wo ich den Platz heute vermute, stehen große hässliche Wohnblocks. Welch eine Veränderung.

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Nachdem wir mit dem Taxi aus Samokov in Stanke Dimitroff ankamen, liefen wir Richtung Süden aus der Stadt hinaus. Diesmal hatten wir als Anhalter mehr Erfolg. Ein LKW-Fahrer nahm uns mit bis Simitli. Dort gingen wir in eine Gaststätte, die direkt gegenüber einer Brücke lag. In der Gaststätte saßen mehrere Männer beim Bier. Wir setzten uns an einen großen runden Tisch und bestellten Radeberger Exportbier. In der DDR gab es das selten, hier sogar in einer Dorfgaststätte.

Beim Bier kamen wir mit den Bulgaren ins Gespräch, ...

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Der nächste Ort der Erinnerungen ist der Bahnhof von Sandanski. Dazu müssen wir in den anderen Teil der Stadt, westlich der E 79. Als wir diese Straße einige hundert Meter in nördlicher Richtung fahren, sehen wir zum ersten Mal eine Geschwindigkeitskontrolle der Polizei. Die Geschwindigkeitsbeschränkung beträgt 40 km/h und gemessen wird mit einer Radarpistole. Uns kann aber nichts passieren, denn wir fahren genau vierzig.

Zum Bahnhof geht es dann links ab durch ein Industriegebiet. Vor dem Bahnhof lassen wir das Auto stehen und gehen rechts außen herum auf den Bahnsteig. Hier warteten damals Ralf und ich, auf einer Bank sitzend und von den beiden bewaffneten Soldaten bewacht, auf den Zug nach Sofia.


Bahnhof Sandanski

Bahnhof Sandanski


Bahnhof Sandanski

Fahrplantafel im Bahnhof von Sandanski

Zwei Züge fahren täglich von hier aus nach Thessaloniki, um 10.10 Uhr und 20.30 Uhr. Das sind für uns aber keine passenden Zeiten und bis nach Thessaloniki ist es für uns auch viel zu weit.

Wir entschließen uns daraufhin auch, nicht in Sandanski zu übernachten, sondern gleich weiter nach Kulata zu fahren. Sandanski hat uns nichts zu bieten.

Als das Schild „Greece 3 km“ auftaucht, merke ich schon, dass die Straße nicht mehr direkt durch Kulata führen kann. Die Bahnlinie verläuft zwar noch rechts der Straße, aber nur bis zu einer Brücke.

Im Süden kann man jetzt deutlich die Berge von Griechenland sehen. Auf den Bergkämmen drehen sich zahlreiche Windräder.

Vor 41 Jahren sahen wir diese Berge auch, als wir in der späten Dämmerung in Kulata aus dem Taxi steigen mussten, doch konnten wir damals diesen Anblick nicht genießen.

Vor der etwa noch 100 m entfernten Grenzabfertigung stehen einige LKW in der Schlange. Der Andrang hält sich aber in Grenzen. Es geht hier recht ruhig zu.

Wir stellen unser Auto vor einem Bistro ab und gehen vor bis zur ersten Schleuse der Grenzabfertigung. Zu unserer Überraschung gibt es einen Durchgang für ‚Walkers’. Wir entschließen uns morgen hier durch zu gehen.


Grenzterminal Kulata

Grenzterminal Kulata

Nun, nach 41 Jahren, sollte es wohl möglich sein, diese Grenze ohne irgendwelche Hindernisse passieren zu können.

Gleich hinter dem Bistro fahren wir dann rechts über die Bahnschranke und sind in Kulata. Das Dorf ist ein hässliches Kaff am südlichen Ende von Bulgarien. Die Dorfstraße, die früher mal bis über die Grenze führte, ist kaum noch als Straße zu bezeichnen. Dass hier mal Asphaltbelag drauf war, lässt sich nur noch erahnen. Die kleinen Einfamilienhäuschen sind in einem erbärmlichen Zustand. Als deutscher Besucher kommt man sich vor wie in einem Slumgebiet. Ab und zu fahren klapprige alte Autos durch die Straßen, oft Trabis oder Moskvichs.

Das alte weiße Zollhaus, in dem am 5. Januar 1965 für uns Endstation war, kann ich nicht sehen. Sicher steht es nicht mehr.

Zu Hause hatte ich mich schon per Internet informiert, was es für Hotels in Kulata gibt und bin auf das Drei-Sterne-Hotel „Komitite“ gestoßen. Per Email hatte ich den Preis für ein Doppelzimmer erfragt – 32 Euro ohne Frühstück.

Wir fahren durch das Dorf hindurch bis zum nördlichen Ende. Das letzte Gebäude ist der Hotelkomplex, der sicher erst nach der Wende entstanden ist. Vor dem Hotel befindet sich ein schönes großes Schwimmbad dessen Nutzung im Preis enthalten ist.


Hotel Komitite Kulata

Hotel "Komitite" Kulata


Hotel Komitite Kulata

Pool des Hotels "Komitite" Kulata

Nach dem wir all unsere Sachen eingeräumt haben, fahren wir auf Nebenstraßen Richtung Melnik, um uns dort schon mal umzusehen und eventuell auch die nächste Unterkunft klar zu machen.

Auch diese Straße könnte vor Jahrzehnten mal durchgehend Asphaltbelag gehabt haben. Heute ist nicht mehr viel davon übrig. Von einem Loch geht es in das nächste. Wir können zeitweise nur in Schrittgeschwindigkeit fahren.

Dann sind wir in dem Dorf Vinogradi und dahinter geht es auf einer guten Asphaltsraße weiter bis nach Melnik.

Melnik ist die kleinste Stadt Bulgariens mit etwa 300 Einwohnern und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben. Früher sollen hier mal 20.000 Menschen gelebt haben, bevor die Stadt 1912 von den Osmanen vor deren Abzug niedergebrannt wurde.

Davon hat sich die Stadt bis heute nicht erholt. Es gibt einige Häuser, die ziemlich dem Verfall preisgegeben sind, besonders das große ehemalige Rathaus. Auch einige Bauruinen kann man bewundern.

Die Dorfstraße links des jetzt trockenen Flussbettes ist ordentlich hergerichtet, auf der anderen Seite ist die Straße noch unbefestigt. Auch im hinteren Teil des Dorfes gibt es noch keine befestigte Straße, aber man sieht, dass es geplant ist. Die Fußwege sind teilweise schon vorhanden.

Im Ort gibt es an verschiedenen Stellen sogar öffentliche Mülleimer. Trotzdem liegt in einigen Ecken Müll herum.

Auf der Veranda von Marios Hotel lassen wir uns nieder. Der Kellner spricht deutsch. Er heißt Janko und hat mal 18 Monate in Darmstadt als Kellner gearbeitet.

Auch hier essen und trinken wir wieder sehr preiswert. Mineralwasser, Kräutertee, 2 Gläser Rotwein, Hühnchenspieß, Omelette, Brot, Cappuccino und je 1 Glas Akazien- und Tannenhonig zum Mitnehmen kosten insgesamt 18,80 Lewa.

Weil uns die Gaststätte und vor allem die freundliche Bedienung durch Janko gefällt, fragen wir ihn, ob wir ab morgen hier auch übernachten können. Er freut sich sehr darüber und gibt gleich seinem Chef Bescheid, damit der uns ein Zimmer reserviert.

Dann fahren wir zurück Richtung Kulata, allerdings nicht wieder über die Nebenstraßen, sondern auf der schönen Asphaltstraße, die zur E 79 führt.

Die tiefstehende Sonne lässt die wenigen noch frischen Weiden in hellem Grün und die trockenen steppenartigen Gebiete in goldbraunen Tönen leuchten. Ein bisschen ähnelt die Landschaft hier der Toskana.


Landschaft bei Melnik

Landschaft zwischen Melnik und Sandanski

Als am Straßenrand eine große Ziegenherde zu sehen ist, halten wir an und greifen zu Fotoapparat und Kamera. Die schwarz-weiß gescheckten Ziegen sind teilweise auf die Büsche und kleinen Bäume gestiegen um ans Futter zu kommen. Die Ziegenbesitzer, ein Ehepaar, freuen sich als wir Fotos von ihren Ziegen machen und zeigen uns wo noch mehr davon sind.


Ziegen

Ziegenherde an der Straße

Im Hotel schauen wir kurz in den Fitnessraum hinein. Alle Geräte sind besetzt. Muskelpakete von Männern mühen sich ab noch mehr davon zu bekommen. Es riecht unangenehm nach Schweiß. Schnell verziehen wir uns wieder.

Aus dem Fenster unseres Zimmers haben wir einen schönen Blick auf den hell erleuchteten Pool und die griechischen Berge, die noch von der untergehenden Sonne angestrahlt werden.

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